Ölkonzerne im Irak:Fördern - und fordern

Die Ölgesellschaften nutzen ihre neuen Möglichkeiten im Irak - und Bagdad bemüht sich, die Kontrolle über sie zu behalten.

Tomas Avenarius

Ob der Irak-Krieg ein Krieg um das Öl war, darüber ist viel gestritten worden. Klar ist zumindest, dass die Nachkriegszeit im Irak die Zeit der Ölgeschäfte ist. Das zeigt schon ein Besuch bei der North Oil Company in Kirkuk: Vor dem Eingang der irakischen Ölgesellschaft stehen ein Dutzend US-Militärfahrzeuge, in den Gängen laufen amerikanische Offiziere und Zivilisten auf und ab, ein Treffen mit irakischen Ölmanagern ist gerade zu Ende gegangen. Und diese Verhandlung ist nur eine unter vielen. Wenige Tage später meldet die New York Times: "Westliche Ölgesellschaften kehren zurück in den Irak."

36 Jahre nachdem Bagdad die irakische Ölindustrie verstaatlicht hatte, werden die großen Ölfirmen Shell, Exxon Mobil, BP und Total wieder eine Schlüsselrolle spielen bei der Ausbeutung der drittgrößten Erdölreserven der Erde. Auch die weitgehend unerschlossenen Gasvorkommen reizen die Konzerne. Offiziell sollen die westlichen Firmen dem Irak vorerst nur mit Hilfe von zweijährigen "Dienstleistungs-Verträgen" bei der Entwicklung der Technik und der Ausbeutung der Rohstoffe helfen.

Industrie im jämmerlichen Zustand

Die Regierung in Bagdad muss dem Eindruck entgegentreten, sie lege den nationalen Reichtum in die Hände der internationalen Ölkonzerne. Deshalb sollen die Firmen für ihre Arbeit auf bestimmten Ölfeldern direkt bezahlt werden, statt die jeweiligen Vorkommen eigenständig ausbeuten zu können. Am Ende allerdings dürften diese Verträge den amerikanischen und europäischen Ölmultis den entscheidenden Zugang zur neuen irakischen Ölindustrie bieten.

Ohne ausländische Hilfe lässt sich der Rohstoffreichtum des zerstörten Lands ohnehin kaum erschließen. Dies betont auch Manaa al-Obaydi, Chef der North Oil Company im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung: "Wir brauchen internationale Investitionen." Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass die ausländischen Firmen den Irak kontrollierten.

Der Ölmanager sagt: "Bagdad will mit der zentralen Irakisch-Nationalen Ölgesellschaft die Förderung, die Verarbeitung und den Export unserer Rohstoffe in einer Hand organisieren. Ausländische Ölgesellschaften können je nach unserem Bedarf beteiligt werden." Dem entspricht, was die New York Times unter Berufung auf amerikanische und irakische Quellen berichtet: Verhandlungspartner von Shell, Exxon, Total und BP ist das irakische Ölministerium. Die Verträge könnten Ende Juni abgeschlossen werden.

Das Öl und dessen Ausbeutung durch ausländische Firmen sind Reizthemen im Irak. Die Erinnerung an die Kontrolle des Landes durch das britische Empire und die zentrale Rolle des Öls dabei ist stets gegenwärtig. Der Sturz des Saddam-Regimes durch die US-Armee mag vielen Irakern daher als eine Wiederholung der Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erscheinen.

Andererseits ist die irakische Ölindustrie in einem jämmerlichen Zustand. In den langen Jahren der internationalen Sanktionen gegen den Diktator Saddam Hussein sind Bohrtürme und Raffinerien verschlissen worden.

48 Milliarden Dollar in 2007

Es fehlt an Ersatzteilen und Equipment, nur 27 von 80 bereits erschlossenen Ölfelder werden derzeit noch bearbeitet. Zwar wird seit dem Sturz Saddams wieder in die Ölindustrie investiert. Aber die Förderung hinkt weit hinter den Erwartungen der USA hinterher; die Amerikaner wollten noch im Jahr 2003 den gesamten Wiederaufbau mit Ölgeldern finanzieren.

Das Öl brachte dem Irak 2007 aber immerhin schon 48 Milliarden Dollar ein: Fast 2,5 Millionen Barrel wurden täglich gefördert. Für 2008 erwartet man eine Einnahmesteigerung um weitere 15 Milliarden Dollar. Zudem füllt der hohe Ölpreis die Kassen stärker als gedacht: 85 Prozent der Regierungseinnahmen stammen aus der Rohstoff-Förderung.

Was allerdings noch immer fehlt, ist ein irakisches Ölgesetz. Es ist seit mehr als einem Jahr überfällig, die Zerstrittenheit der irakischen Volksgruppen verhindert jedoch bislang ein solches Gesetz. Und es geht dabei nicht nur um die Kontrolle des ausländischen Einflusses, sondern auch um den innerirakischen Zugriff auf den Rohstoffreichtum.

Die Kurden im Norden und die Schiiten im Süden des Landes beanspruchen eine weitgehende Kontrolle über die in ihren Regionen konzentrierten Reserven. Ihre Führer wollen nur die Einnahmen aus den bereits unter Saddam Hussein erschlossenen Ölfeldern mit der Zentralregierung in Bagdad teilen. Einnahmen aus neuen Feldern beanspruchen sie exklusiv für ihre Regionen.

Bagdad will solchem Rohstoff-Föderalismus, der in der neuen Verfassung zumindest indirekt abgesichert ist, nun engste Grenzen setzen. Die Zentralregierung erkennt daher auch nicht die 20 Verträge an, die die Kurden bereits mit kleineren ausländischen Ölfirmen, zum Beispiel aus der Türkei, abgeschlossen haben.

Obwohl mit 80 Prozent der Vorkommen die weit größeren Ölreserven im Südirak liegen, werden auch rund um Kirkuk noch riesige Öl- und Gasfelder vermutet. Auch der irakische Ölmanager al-Obaidi aus Kirkuk sagt daher: "Das Öl im Irak ist unser nationaler Reichtum. Und der steht allen Irakern zu."

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