Gemeinhin wird Winfried Kretschmann nachgesagt, er suche die Nähe zur Union. So auch in der Energiepolitik. Denn seine Ökostrom-Mahnung verschickte der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg nicht an den zuständigen Minister, SPD-Chef Sigmar Gabriel. Sondern an die Kanzlerin und CDU-Chefin höchstselbst. Den Wahlkämpfer Kretschmann plagt die Sorge, der Ausbau erneuerbarer Energien könnte auf der Strecke bleiben, und das trotz des Pariser Klimaabkommens. "Es wäre fatal, ausgerechnet in dieser Situation die Dynamik des Ausbaus der erneuerbaren Energien und die damit verbundenen Treibhausgasminderungen zu bremsen", schreibt Kretschmann. Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor.
Grund für die Mahnung sind allerdings Pläne von Gabriel. Dessen Ministerium hat eine Novelle des Ökostrom-Gesetzes EEG entworfen, die auf eine stärkere Steuerung des Ökostrom-Neubaus zielen. Wer ein neues Windrad errichten will, kann sich danach nicht mehr auf gesetzlich festgelegte Vergütungen für seinen Ökostrom verlassen. Stattdessen muss er sich an Ausschreibungen beteiligen - und dort gewinnt, wer für die geringste Förderung zu bauen bereit ist. Wie viele Windräder so ausgeschrieben werden, hängt vom bundesweiten Ökostrom-Anteil ab. Der soll bis 2025 auf höchstens 45 Prozent anwachsen. Wird dieser Anteil anderweitig erreicht, etwa durch Solarparks oder Windräder zur See, hätte die Windkraft an Land das Nachsehen.
Das will Kretschmann nicht hinnehmen. Nicht das 45-Prozent-Ziel solle maßgeblich sein, sondern die bisherige Zielmarke für den jährlichen Ausbau. Die liegt für Windräder an Land bei 2500 Megawatt, was rund 700 mittelgroßen Windrädern im Jahr entspricht. "Auf diese Ausbaupfade hat sich mittlerweile auch die Branche eingestellt", schreibt Kretschmann. "Auch industriepolitisch brauchen wir ein Signal des Aufbruchs und nicht der Verzagtheit." Das Stromnetz komme mit einem rascheren Zubau mühelos zurecht. Der Ökostrom erreiche "selbst bei optimaler Ausnutzung dieser Korridore in allen Technologien einen Anteil von knapp 50 Prozent", wirbt er. Dagegen argumentiert das Wirtschaftsministerium, ein höherer Ökostrom-Anteil überlaste das Stromnetz. Baden-Württemberg galt lange Jahre als weißer Fleck auf der Landkarte der Windmüller. Mittlerweile sind dort knapp 500 Windräder installiert.