Ökonomen-Serie:Der Konkurrent ist dein Freund

In Neuseeland hat Justus Haucap gezeigt, dass es sich lohnt, Monopole zu knacken. Er findet, dass Deutschland mehr Rabatzmacher braucht.

Von Varinia Bernau

Im Büro von Justus Haucap hängt ein Schild: "We didn't break the duopoly, you did", steht da in weißer Schrift auf blauem Grund. Der Wissenschaftler hat es von einem neuseeländischen Mobilfunkanbieter bekommen. Als der antrat, ließ Vodafone seine Kunden wissen: Anrufe im Vodafone-Netz kosten sechs, die ins Netz des Neulings 89 Cent pro Minute. "Die Botschaft war klar: Wenn ihr zum neuen Anbieter wechselt, ruft euch niemand mehr an", erinnert sich Haucap, der vor etwa fünf Jahren in der Angelegenheit als Sachverständiger aussagte.

Vodafone hat eingelenkt, ehe das Wettbewerbsverfahren zu Ende war. Und Neuseeland hat immer noch drei Mobilfunkanbieter. Duopol geknackt. Der Dankesbrief zeigt, wie ein Wissenschaftler die Welt verändern kann. Dass er gerahmt an der Wand hängt, zeigt wiederum, dass Haucap einer von den Ökonomen ist, die genau darin eine ihrer wichtigsten Aufgaben sehen: beobachten und verstehen, was da draußen passiert - und sich dort mit Argumenten einbringen, wo der Wettbewerb in Gefahr gerät. Haucap, geboren 1969 als Sohn eines Lehrerpaares im niedersächsischen Quakenbrück, mischt sich bereits früh ein: Er ist Schülersprecher, bei den Jungen Liberalen, schreibt erst für die Schüler-, dann für die Lokalzeitung. Er will Journalist werden. Aber weil er in einem Ratgeber liest, dass man dazu alles, nur nicht Journalismus studieren sollte, schreibt er sich für Volkswirtschaft an der Universität des Saarlandes ein. Er hatte auch an Geschichte und Soziologie gedacht, dass es VWL wird, war, wie er sagt, "auch eine gewisse Absicherung, falls es mit dem Journalismus nichts wird". Stattdessen wird es was mit der Wissenschaft. Während seiner Promotion verbringt er ein Jahr in Berkeley beim späteren Nobelpreisträger Oliver Williamson und stößt dort, wieder eher aus Zufall, auf einen interessanten Job. Das Finanzministerium in Neuseeland sucht einen Analysten.

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(Foto: Tim Brakemeier/dpa)

1997 kommt er in das kleine Land und dort schnell zu Verantwortung. "Nach sechs Wochen musste ich zum ersten Mal den Minister zur Postreform briefen." Es folgt eine Reform der Trinkwasserversorgung und eine Reform der Flughäfen. Sogar mit der Frage, ob das Land eine Quote für neuseeländische Musik braucht, beschäftigt er sich. So lernt er die unterschiedlichsten Märkte kennen und damit auch die wichtigsten Forschungsfragen. "Die Zeit hat meine Denkweise geprägt", sagt Haucap. "Zuvor habe ich mich erst einmal durch die Literatur gewühlt, um mich zu fragen, wie ich sie ergänzen kann. Danach habe ich erst über Märkte nachgedacht und mich dann gefragt, warum die Dinge so sind, wie sie sind - und ob das sinnvoll ist." Im Inneren des politischen Betriebs lernt er auch etwas anderes: Wie er zum Ziel kommt. "Im Zweifelsfall nehme ich auch die zweitbeste Lösung, wenn es dafür eine Mehrheit gibt", sagt er. Sein Doktorvater Rudolf Richter hat einmal über ihn gesagt, Haucap habe die Gabe, die Theorie mit der Praxis zu verbinden.

Diese Gabe zeigt er immer dann, wenn er sich in die öffentliche Debatte einmischt. Er zweifelt, dass die Leute im digitalen Zeitalter erst Helene Fischer schauen und dann "Monitor", und fordert eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Er hat sich dafür starkgemacht, dass Tankstellen ihre Preise in eine Datenbank im Netz stellen, sodass Autofahrer per Mausklick die billigste Tankstelle in ihrer Umgebung finden. Und er sagt, wie er da in seinem Büro sitzt und erklären soll, warum Wettbewerb in Deutschland einen schlechten Stand hat: "Kein Wunder, dass Uber solch einen Rabatz macht!" Für ihn veranschaulichen die Rotznasen des amerikanischen Fahrdienstes ein strukturelles Problem: Wo es Monopole gibt, da gibt es auch Geld. Und wer Geld hat, der hat Einfluss. "Ein Neuling aber hat nichts, der hat auch kein Gehör." Die Verbraucher seien viel zu versprengt. "Keiner macht eine Demo, weil er findet, dass die Postkarte eigentlich nur 40 Cent kosten dürfte."

24 deutsche Ökonomen, auf die es ankommt

In der Volkswirtschaftslehre findet ein Generationswechsel statt. Die SZ stellt immer dienstags und donnerstags die neuen Köpfe vor: "24 deutsche Ökonomen, auf die es ankommt" - heute Teil 4. Bedingung: Die Porträtierten müssen unter 50 Jahre alt sein. Und die Besten ihres Fachs. Darunter sind in der Öffentlichkeit bekannte Namen, aber auch sehr kompetente Wissenschaftler, die vor allem in der Fachwelt einen Ruf haben. Alle Folgen: sz.de/deutsche-oekonomen

Haucap hätte damals in Neuseeland bleiben können. Aber er merkt, dass ihm Freunde und Familie fehlen. Er will zurück nach Deutschland, zurück an die Uni. "Es war aufregend, aber auch etwas unbefriedigend, den Dingen nie auf den Grund gehen zu können." Er habilitiert in Hamburg bei Jörn Kruse. Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, als ein Ruf an die Ruhr-Universität Bochum kommt. 2003 übernimmt er mit 34 Jahren den Lehrstuhl für Wettbewerbstheorie und -politik. 2006 wird er in die Monopolkommission berufen, zwei Jahre später deren Vorsitzender. 2009 geht er nach Düsseldorf, um an der dortigen Universität Deutschlands erstes Institut für Wettbewerbsökonomie aufzubauen.

Haucap selbst nennt seine Karriere eine "Verkettung glücklicher Umstände". Das ist eine bescheidene Deutung und sagt viel darüber aus, wie dieser Mann ist: Unprätentiös; mit ironischen Spitzen und einem ansteckenden Lachen; eher in Jeans und T-Shirt als im Anzug unterwegs und dem, was die meisten Krawatte, er aber "Kompetenzstrick" nennt. Justus Haucap ist keiner, der glaubt, dass er allein die Welt ändern kann. Er weiß, dass es dazu immer auch "günstige Konstellationen" braucht, wie er das nennt.

Haucap sucht deshalb das persönliche Gespräch mit den Referenten in den Ministerien. "So bekommt man ein Gefühl dafür, welchen Zwängen Politiker unterliegen. Man merkt, wann man mit einem Thema nicht durchkommt, dafür aber auch, mit welchem anderen man vielleicht besser durchkommt." Er sucht den Weg in die Medien, am liebsten in die überregionalen Zeitungen, weil sie den Raum für Nuancen lassen und von Politikern, Managern und Intellektuellen gelesen werden. Und er widmet sich der Ausbildung von Ökonomen, die in seinem Sinne denken.

Der gläserne Bau, der das Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie beherbergt, hebt sich ab von den grauen 70er-Jahre- Bauten auf dem restlichen Campus. Eine 40-Millionen-Euro-Spende von zwei Unternehmerfamilien hat die Einrichtung ermöglicht und damit Stellen für sechs Professoren, fünf Juniorprofessoren und etwa 30 Postdocs. Haucap will seinem Institut und den dort entstehenden Ideen mehr Gehör in Brüssel verschaffen. Einige seiner einstigen Doktoranden sind inzwischen im Stab der EU-Kommission.

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