Ökonomen:Jetzt ein Plan C

Clemens Fuest

Der Chef des ZEW-Instituts Clemens Fuest sieht den Euro in Gefahr.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Deutsche Ökonomen halten Zugeständnisse an Athen für denkbar - aber nur im Gegenzug für Reformen.

Von Alexander Hagelüken

Nach dem "Nein" beim griechischen Referendum sehen führende deutsche Ökonomen die Lage kritisch. Wie lassen sich die Griechen noch im Euro halten? Aber ohne falsche Zugeständnisse, die den Euro zerstören könnten? Auf eines können sich viele Experten einigen: Falls das Nein beim Referendum eine Absage an weitere wirtschaftliche Reformen bedeuten soll, sehen sie für das Land schwarz.

Es stehe die Zukunft des Euro auf dem Spiel, warnt Clemens Fuest, Präsident des Forschungsinstituts ZEW in Mannheim. Denn bisher galt in der Euro-Zone der Grundsatz, dass notleidende Länder nur Hilfe bekommen, wenn Sie im Gegenzug Reformen auf den Weg bringen - Fuest hält diesen Grundsatz für entscheidend. Wenn die Euro-Nationen ihn aufgeben, habe das gravierende Folgen: "Das würde bedeuten, dass sich jeder in der Eurozone aus dem Geldbeutel des anderen bedienen kann", sagte Fuest der Süddeutschen Zeitung. "Das würde den Kollaps des Euro bedeuten." Deshalb müssten die Euro-Staaten bei allem, was sie tun, auch die Wirkungen auf andere Euro-Staaten beachten.

Lässt sich Griechenland nach dem Referendum überhaupt im Euro halten? "Das geht nur, wenn sich die Griechen zu Reformen verpflichten", meint Fuest, der im Frühjahr kommenden Jahres Hans-Werner Sinn als Chef des Ifo-Instituts ablösen wird. Gleichzeitig glaubt der Wissenschaftler, dass solche Verpflichtungen nach der Volksabstimmung unwahrscheinlicher geworden sind. Er ist schärfer geworden, der vermeintliche Gegensatz: Hier die Geldgeber, die strukturelle Veränderungen verlangen - dort die Griechen, die so etwas als Diktat, als Quälerei sehen.

Der Ökonom Klaus Schrader vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) argumentiert, damit werde ein völlig falscher Gegensatz aufgebaut. Er skizziert das Bild einer Volkswirtschaft, die ohne strukturelle Veränderungen niemals den erwünschten Lebensstandard sichern wird. Eine Nation, deren Export stark aus weiterverkauftem Erdöl, Gemüse, Obst und Medikamentenkopien besteht: "Moderne Wirtschaftszweige, in denen sich eine hohe Wertschöpfung erzielen lässt, gibt es wenig", urteilt Schrader.

Während in Tschechien oder Ungarn eine Autoindustrie entstanden sei, finde die Globalisierung in Griechenland kaum statt. "Wenn es zu keinen weiteren Reformen kommt, laufen weitere Hilfen der Euro-Staaten auf eine Daueralimentation hinaus", fürchtet Schrader. "Das würde die Krise nur weiter hinausschleppen. Die Wirtschaft würde nicht gesunden. Die Schulden würden nicht tragfähiger. Es gäbe höchstens Scheinblüten."

Welche Reformen sind nötig? Fuest und Schrader sind sich einig: Es geht um vieles, was griechische Regierungen nicht angepackt haben - oder was nur auf dem Papier steht. Dazu gehört eine Verminderung der Bürokratie, eine funktionierende Steuerbehörde und eine effiziente Verwaltung bis hin zu einem Rechtssystem, in dem Betriebe Ansprüche wirklich einklagen können - für ZEW-Präsident Fuest ist das der wichtigste Bereich, inklusive Personaleinsparungen: "Der öffentliche Dienst ist immer noch zu groß." Schrader betont zum Beispiel dass sich die Löhne, die ja schon reduziert wurden, noch stärker an der Produktivität orientieren müssten. Und dass viele Märkte und Berufe offen für neue Wettbewerber werden müssten: "Darf man Babynahrung auch außerhalb von Apotheken verkaufen? Griechenland steht vor den Debatten, die in Deutschland in den 80er- und 90er-Jahren geführt wurden."

Das klingt nach viel Arbeit. Sind nicht auch manche der Zugeständnisse sinnvoll, auf die Griechenland hofft? Ja, sagt Fuest: "Es wäre schon sinnvoll, Geld in die Hand zu nehmen, um in Infrastruktur zu investieren oder die Steuern für Unternehmer zu begrenzen." Und Schrader macht sich für einen Schuldenerlass stark, der die Verbindlichkeiten auf verschiedene Arten um bis zu 50 Prozent reduziert. Das klingt fast wie ein Plan C. Man könnte auch sagen: Zugeständnisse und Reformen lassen sich verbinden. Aber nach Ansicht der Ökonomen darf es das eine nicht ohne das andere geben.

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