Ökologie:Mit den Waffen des Kapitals

Lesezeit: 2 min

Erleuchtung: Greenpeace bringt Solarzellen nach Indonesien. In Deutschland installiert ein Ableger sie im Braunkohle-Revier - und vermarktet den Strom. (Foto: ULET IFANSASTI/AFP)

Greenpeace treibt die Energiewende nun mit Geschäften voran. Etwa mit Stromtarifen gegen Braunkohle.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das größte Geschäft ist geplatzt, ein gutes Jahr ist es her. Nicht an Greenpeace verkaufte der Vattenfall-Konzern seine Braunkohlesparte in der Lausitz, sondern an eine Gruppe tschechischer Investoren. "Wenn wir den Zuschlag bekommen hätten, dann hätten wir wahnsinnig tief durchatmen müssen", sagt Sönke Tangermann. "Aber wir hätten es geschafft."

Tangermann ist Chef eines seltsamen Unternehmens. Es trägt den Namen der Umweltorganisation, ist aber eine Genossenschaft. Es soll Ökostrom verkaufen, macht aber Politik - gegen Atomkraftwerke und Kohlestrom: "Greenpeace Energy" ist so etwas wie eine Umweltgruppe mit Lizenz zum Geldverdienen. Der Deal in der Lausitz hätte sie um ein Haar zu einem der größten Braunkohle-Produzenten des Landes gemacht, das Angebot entsprach ziemlich genau jenem der Tschechen. Nur wollte die Genossenschaft die Tagebaue in der Lausitz nicht ausbaggern, sondern mitsamt Kraftwerken stilllegen. Ein Erdbeben wäre dann durch die Republik gegangen, glaubt Tangermann. Doch es blieb aus.

"Wir verursachen Unsicherheit für die Investoren."

Aber die grünen Genossen (Slogan: "0% Kohle, 0% Atomkraft, 100% Überzeugung") kämpfen weiter mit den Mitteln des Kapitals, diesmal mit einem Stromtarif gegen die Braunkohle. Wer ihn bucht, zahlt gut einen Cent drauf - und unterstützt damit in den Tagebau-Revieren den Ausbau von Ökostrom. Etwa einen Solarpark in einem Dorf namens Proschim. Das liegt auf dem Gelände eines künftigen Tagebaus, seine Zukunft ist ungewiss.

Aber Solarpark statt Braunkohle - das lässt sich schon jetzt gut vermarkten. Schließlich soll das Projekt beweisen, dass die strukturschwache Region in Ostdeutschland auch jenseits der Kohle eine Perspektive hat: natürlich mit Ökostrom. Die nötige Studie liefert Greenpeace Energy gleich mit, sie wird ebenfalls diesen Dienstag vorgelegt. Danach gebe es in der Lausitz genug Ökostrom-Potenzial, "um die weggefallenen Arbeitsplätze in Summe zu kompensieren". Hier geht es nicht um den Profit - sondern in erster Linie um Politik.

Damit steht Greenpeace Energy nicht allein. Auch andere Ökostrom-Anbieter beschränken sich nicht auf den Verkauf von Strom. Anbieter wie Lichtblick, Naturstrom oder die Elektrizitätswerke Schönau sehen sich nebenbei als politische Wegbereiter der Energiewende und lassen Geschäft und Engagement verschmelzen. Aber keiner von ihnen führt zugleich eine Umweltorganisation im Namen.

Das ist auch für Greenpeace selbst eine Art Erweiterung des Portfolios. Die Umweltlobby kann zwar lautstark gegen Atomkraftwerke im Ausland kämpfen. Aber eine Klage wegen Verletzung des EU-Beihilferechts kann nur ein Unternehmen anstrengen - so wie Greenpeace Energy im Kampf gegen das britische AKW Hinkley Point C. In erster Instanz wurde die Klage im vorigen Jahr abgewehrt, doch Greenpeace Energy geht in Revision, an der Seite der österreichischen Bundesregierung. Schließlich gelte es, eine Renaissance der Atomenergie zu verhindern. "Wenn wir nicht erfolgreich sind, treten wir zumindest Debatten los", sagt Tangermann. "Und wir verursachen Unsicherheit für die Investoren." Bezahlt wird das alles aus dem Gewinn, 2015 lag der vor Steuern und Zinsen bei 2,4 Millionen Euro. Ganz billig ist der Strom der Genossen übrigens nicht.

Die fünfstellige Lizenzgebühr für Greenpeace ist bei den 2,4 Millionen schon abgezogen, denn außer dem Namen sind die beiden kaum noch verwoben. Von gut 350 000 Anteilen an der Genossenschaft hält die Umweltorganisation, einst Nukleus des Unternehmens, gerade mal 100. Die restlichen teilen sich die 24 000 Genossen.

Dennoch gelten im Unternehmen strenge Greenpeace-Regeln, sie sind Teil des Lizenzvertrags: Innerdeutsch ist das Flugzeug tabu und der Zug Pflicht, das Auto geht nur ausnahmsweise. Bei Veranstaltungen gibt es nur Biokost, und Geschäftspartner aus der fossilen Welt sind für die Genossenschaft tabu. "Manchmal", sagt Tangermann, "ist das ein Nachteil." Der Geschäfte wegen.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: