Energiewende:Stromkunden zahlen wegen Ökostrom-Umlage zu viel Geld

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Das Konto für das Geld aus der Ökostrom-Umlage, verfügt derzeit über einen Überschuss von 4,9 Milliarden Euro. (Foto: dpa)
  • Derzeit wird das durch die Ökostrom-Zulage erwirtschaftete Geld gar nicht gebraucht.
  • Es fallen hohe Negativzinsen an, für die nun auch die Stromkunden aufkommen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Lage war düster, kurz vor der Wahl. Monat für Monat verschlangen die deutschen Ökostrom-Anlagen mehr Geld, als die deutschen Stromkunden dafür einzahlten. Mitten im Sommer fehlten fast zwei Milliarden Euro, der Umweltminister verlangte lautstark eine "Strompreisbremse", andere stimmten ein. So standen die Dinge im Sommer 2013, kurz vor der Bundestagswahl.

Vier Jahre später steht die nächste Wahl an, doch die Lage ist völlig anders. Anstatt Defiziten lagern mittlerweile 4,9 Milliarden Euro auf dem Konto, so viel wie noch nie im Sommer. Erwirtschaftet wird das Geld von den Stromkunden, die derzeit auf jede Kilowattstunde verbrauchten Stroms 6,88 Cent Umlage zahlen.

Aus dem Geld wiederum, so will es das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), erhalten die Betreiber von Windrädern und Solaranlagen, Biomasse- und Wasserkraftwerken die garantierte Vergütung. 14 Milliarden Euro haben die Stromkunden im ersten Halbjahr zusammengetragen. Doch abgeflossen sind nur zwölf Milliarden. Nimmt man die 2,9 Milliarden Euro hinzu, die noch vom vorigen Jahr auf dem Konto lagen, ergibt sich das 4,9-Rekordplus. Verwaltet wird das Geld von den Betreibern der deutschen Stromtrassen, der "Übertragungsnetze".

In anderen Jahren wäre das ein hübsches Vermögen, doch derzeit ist das Guthaben ein Problem. Das Gesetz verpflichtet die Netzbetreiber dazu, die Überschüsse zu verzinsen, und zwar mit 0,3 Prozent über dem Euribor, dem Referenzzinssatz für Geschäfte zwischen Banken. Doch der liegt derzeit im Monatsschnitt bei knapp minus 0,4 Prozent. Die Folge: negative Zinsen. In den ersten sechs Monaten fielen so 820 000 Euro Strafzinsen an. Man sei bestrebt, das Geld "ertragreich anzulegen und Negativzinsen zu vermeiden", heißt es bei den Netzfirmen. Dies sei aber derzeit "nur mehr bedingt möglich".

Bleibt die Frage, wie es zu dem Milliarden-Guthaben kommen konnte. An einer Flaute bei Wind und Sonne kann der Überschuss nicht liegen, im Gegenteil. Nach Daten des Umweltbundesamtes könnte 2017 ein Rekordjahr werden: 107 Terawattstunden Strom lieferten die Ökoenergien bisher, das sind zehn Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2016 - und so viel wie nie in einem Halbjahr. Zum Vergleich: In Deutschland werden im Jahr knapp 600 Terawattstunden Strom verbraucht. Hielte der Trend beim Ökostrom an, könnten in diesem Jahr 35 Prozent des Stroms aus grünen Quellen stammen; allerdings hängt das stark vom Wetter ab.

Bliebe noch eine andere Einflussgröße: der Strompreis an der Börse. Denn aus dem EEG-Konto bekommen Windmüller und Solaranlagen-Betreiber zwar vorab festgelegte Fördersätze erstattet - doch gleichzeitig wird der Strom vermarktet. An den Stromkunden bleibt so nur die Differenz hängen - und die ist umso kleiner, je mehr der Strom an der Börse bringt. Erhielte zum Beispiel ein Windmüller gesetzlich garantiert sechs Cent je eingespeister Kilowattstunde, und brächte sie an der Strombörse vier Cent ein, dann müssten aus dem EEG-Konto nur zwei Cent draufgelegt werden. Sinkt der Strompreis, wird es entsprechend teurer.

"Gemessen an den Börsenpreisen für Strom ist die EEG-Umlage eigentlich zu hoch", sagt Patrick Graichen, der die Berliner Denkfabrik Agora Energiewende leitet. "Da haben die Netzbetreiber sehr konservativ gerechnet." Das räumen die mittlerweile auch selber ein. Einmal jährlich müssen sie abschätzen, wie viel Geld im nächsten Jahr für die Ökostrom-Förderung nötig wird. Experten gehen inzwischen davon aus, dass sie 2018 leicht sinken könnte, trotz wachsender Anteile erneuerbaren Stroms. Festgelegt wird der Satz Mitte Oktober - drei Wochen nach der Wahl.

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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