OECD-Länder:16 Millionen seit langem ohne Arbeit

  • In einer neuen Studie warnt die OECD vor den Folgen langfristiger Arbeitslosigkeit.
  • Deutschland steht dabei nicht gut da: Jeder zweite Arbeitslose sucht schon länger als ein Jahr nach Arbeit - mehr als im OECD-Schnitt.
  • Für Geringqualifizierte ist es immer schwerer, gut bezahlte Jobs zu finden. Wenn dieser Trend nicht aufgehalten wird, wird sich die Ungleichheit weiter verschärfen.

Von Alexander Hagelüken

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt vor den langfristigen Folgen von Arbeitslosigkeit. "Die Zeit läuft davon, um zu verhindern, dass Millionen Arbeitnehmer am unteren Ende der Wirtschaft gefangen bleiben", schreibt die Denkfabrik der Industriestaaten in einem neuen Report. In den 34 OECD-Staaten waren im Mai 42 Millionen Menschen arbeitslos, zehn Millionen mehr als vor Ausbruch der Finanz- und Euro-Krise 2007. In den meisten Staaten gehe die Arbeitslosigkeit zurück, aber die Erholung sei noch längst nicht geschafft.

Politisch brisant ist die Vorhersage, dass die wirtschaftliche Notlage in Griechenland unvermindert anhalten wird. Die Arbeitslosigkeit werde in dem Land auch Ende kommenden Jahres bei etwa 25 Prozent stehen, kaum niedriger als zurzeit. Die Unterschiede zu anderen Industriestaaten, die sich langsam von der Finanz- und Euro-Krise erholen, zeigen sich deutlich. Während im Schnitt der OECD-Staaten der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung wieder fast so hoch ist wie vor Ausbruch der Finanzkrise 2007, ist er in Griechenland viel niedriger. Die Arbeitslosenrate bleibt dort mehr als dreimal so hoch wie vor Ausbruch der Krise.

Positiver ist das Bild in anderen Krisenstaaten: Laut Studie schrumpft die Arbeitslosenrate in Spanien bis Ende kommenden Jahres von knapp 25 auf gut 20 Prozent. Der Durchschnitt der Industriestaaten liegt bei nur etwa sieben Prozent.

Alles hängt von den ersten zehn Jahren des Arbeitslebens ab

In Griechenland hat die Jugendarbeitslosigkeit mit 50 Prozent "dramatische Ausmaße" erreicht, ist allerdings schon zurückgegangen. Die OECD hält aber nicht nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Italien für gefährlich. Sie findet auch den starken Anstieg der Zahl junger Leute bedenklich, die komplett vom Radar verschwinden: Sie haben weder einen Job noch sind sie in einer Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahme. Eine solche Situation in den ersten Berufsjahren hat laut der Studie gravierende Folgen. Demnach hängt der gesamte berufliche Lebensweg stark davon ab, wie die ersten zehn Jahre des Arbeitslebens verlaufen.

In den Industriestaaten gibt es inzwischen 16 Millionen Langzeitarbeitslose, drei Viertel mehr als vor der Krise. Die Hälfte von ihnen sind sogar mehr als zwei Jahre ohne Stelle. Die OECD betont das Risiko, dass diese Gruppe vom Arbeitsmarkt entfremdet wird: Vor allem durch die Entwertung der erworbenen Qualifikationen und den Frust, der die Motivation reduziert. Es gebe etwa in den südeuropäischen Staaten Anzeichen dafür, dass sich der konjunkturbedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit verfestige - und somit viel schwerer zu korrigieren sei als in anderen Zeiten.

Die Langzeitarbeitslosigkeit ist einer der wenigen Bereiche, in denen Deutschland nicht so gut dasteht: Fast jeder zweite Arbeitslose sucht schon länger als ein Jahr nach Arbeit, mehr als im OECD-Schnitt und doppelt so viel wie in den USA.

Europa ist schlechter aus der Krise gekommen als die USA oder Japan

Insgesamt zeigt sich, dass Europa mit einer Arbeitslosigkeit von elf Prozent in der Euro-Zone schlechter aus den Wirtschaftskrisen gekommen ist als etwa die USA (weniger als sechs Prozent) oder Japan (unter vier Prozent). Insgesamt haben die Krisen das Leben vieler Menschen verändert. Viele, die ihren Job in der Fabrik oder am Bau verloren, müssen sich komplett umstellen: Sie brauchen neue Qualifikationen, um einen Dienstleistungsjob zu finden, sonst landen sie im Abseits.

Die Krise verschärft laut OECD den Trend, dass es für Beschäftigte mit geringen Qualifikationen seit längerem schwer ist, etwas anderes als Niedriglohnjobs zu finden. Wenn sich die Situation nicht verbessere, werde die Krise zu einer dauerhaften Vergrößerung der Ungleichheit führen, die schon vor der Krise in vielen Industriestaaten einen Rekord erreicht habe. "Die Regierungen müssen es zu einem vorrangigen Ziel machen, dass Menschen nicht dauerhaft ohne Arbeit dastehen oder in einem schlecht bezahlten Job gefangen sind", schreiben die Autoren der Studie. Sie fordern die Regierungen auf, nicht nur für eine bessere Qualifikation der Arbeitnehmer zu sorgen, sondern auch für höhere Einkommen von Niedrigverdienern.

Mindestlohn hat kaum Folgen auf die Beschäftigung

In diesem Zusammenhang sind die Aussagen zum Mindestlohn interessant, den Deutschland im Januar als 26. von 34 OECD-Staaten eingeführt hat. Ein angemessener Mindestlohn habe kaum negative Folgen auf die Beschäftigung. Die deutsche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro entspricht etwa dem Durchschnitt der Industriestaaten, obwohl Deutschland deutlich mehr boomt und reicher ist als viele andere.

Die Studie kritisiert, dass der Versuch, durch den Mindestlohn Armut zu vermeiden, durch hohe Steuern und Abgaben konterkariert werde. In der Bundesrepublik sei die Lohnungleichheit "relativ hoch", was teils daran liege, dass die beruflichen Kompetenzen der Arbeitnehmer sehr ungleich verteilt seien.

Die OECD fordert die Regierung auf, auf die negativen Folgen des Mindestlohns etwa auf die Anstellung junger Menschen zu achten. Das neue Gesetz werde die Lohnkosten in einigen Branchen und Regionen um mehr als zehn Prozent erhöhen. In Ostdeutschland habe 2014 jeder Fünfte weniger verdient als den jetzigen Mindestlohn, in Hotels und Restaurants sogar zwei von drei Beschäftigten. Für sehr junge, unerfahrere Arbeitnehmer sei ein niedrigerer Mindestlohn sinnvoll.

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