Nokia-Werksschließung:Das Spiel mit den Sahnehäubchen

Brüssel weist den Vorwurf zurück, EU-Zuschüsse für die Umsiedlung des Nokia-Werks von Bochum nach Rumänien gewährt zu haben.

Cornelia Bolesch

Die Nachricht von der Verlagerung des Nokia-Werks platzte am Mittwoch mitten in die Sitzung des Europaparlaments in Straßburg. Den Fraktionschef der Sozialisten, Martin Schulz, plagte dabei ein böser Verdacht.

Nokia-Werk; dpa

Nokia-Werk: Brüssel hat keine EU-Zuschüsse für die Umsiedlung der Produktionsstätte nach Rumänien gewährt.

(Foto: Foto: dpa)

Sollten Zuschüsse der EU die Umsiedlung des Handyherstellers nach Rumänien befördert haben, so wäre das "Wasser auf die Mühlen der Euroskeptiker", fürchtete der deutsche Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen.

Auch in der Kommission war man sich der Gefahr eines Imageschadens bewusst. Von Präsident José Manuel Barroso bis zum Sprecherdienst war darum am Mittwoch alles auf Nokia eingestellt. Und die zentrale Botschaft aus Brüssel lautete: Die EU hat dafür kein Geld gegeben!

Gelder aus dem Hilfsprogramm Phare

Ein Nullsummenspiel mit Arbeitsplätzen werde die EU nicht fördern. Das sei "inakzeptabel", versicherte Barroso vor den EU-Abgeordneten. Allerdings habe Rumänien vor einigen Jahren Gelder aus dem Hilfsprogramm Phare für Beitrittsländer bekommen, um Industrieparks zu erschließen. In einem dieser Parks will sich jetzt Nokia niederlassen.

Brüssel wähnt sich diesmal auf der sicheren Seite. Gerade weil das "Subventionshopping" von Unternehmen in Europa in der Vergangenheit immer wieder Proteste ausgelöst hat, wurden die Vorschriften zur Vergabe der EU-Strukturfondmittel vor gut einem Jahr verschärft.

Ein Auslöser war dabei der öffentliche Unmut über den Milchproduzenten Theo Müller. Dem wurde vorgeworfen, er habe ein großes Milchwerk mit rund 150 Arbeitsplätzen in Sachsen auch aus EU-Mitteln fördern lassen, dafür aber eine noch höhere Zahl an Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen abgebaut.

Druck des EU-Parlaments

Die EU-Hilfen für strukturschwache Regionen sind im EU-Haushalt der zweitgrößte Posten nach den Agrarsubventionen. Aus diesem Regionaltopf können bis 2013 nicht weniger als 308 Milliarden Euro verteilt werden.

Eine neue Klausel, die auf Druck des EU-Parlaments eingefügt wurde, untersagt es dabei den einzelnen EU-Staaten, mit diesem Geld die Ansiedlung von Firmen zu fördern, die dafür ihren Standort in einem anderen EU-Land schließen oder erheblich abbauen.

Die Staaten sind gegenüber der Kommission allerdings nur dann zur Auskunft verpflichtet, wenn sie auf ihrem Gebiet die Neuansiedlung eines Unternehmens mit mehr als 50 Millionen Euro EU-Geld bezuschussen.

Der CDU-Europaabgeordnete Markus Piper war einer der Abgeordneten, die sich für mehr Transparenz bei den Subventionen stark gemacht hatten. Er reagiert mit gemischten Gefühlen auf den Fall Nokia. Einerseits, so Piper, seien diesmal sicher keine EU-Gelder im Spiel.

Bedeutung der Investitionsförderung nicht überschätzen

Dagegen spreche die Größenordnung der Verlagerung und die bessere Kontrolle durch Brüssel. Andererseits kann Piper Subventionshopping in anderen Fällen und unterhalb dieser 50 Millionen-Euro-Grenze auch nicht ausschließen. Es sei immer noch schwierig, die rechtmäßige Vergabe auch dieser kleineren Fördersummen zu prüfen.

Piper warnt aber davor, die Bedeutung der Investitionsförderung zu überschätzen. "Kein Unternehmen verlagert seinen Betrieb in ein anderes Land, weil es dafür EU-Subventionen bekommt. Die wären allenfalls ein Sahnehäubchen".

Viel entscheidender für den Umzug seien Lohn - und Energiekosten, die Qualität der Infrastruktur, die Steuern. Den Wettlauf der EU-Staaten um immer niedrigere Steuersätze hat Brüssel jedenfalls noch nicht bremsen können.

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