Niedriglohn-Debatte:Deutschland braucht einen Mindestlohn

Millionen Menschen im reichen Deutschland können von ihrer Arbeit mehr schlecht als recht leben. Ein Mindestlohn muss deshalb kommen. Doch er darf nicht zu hoch sein - gerade in Ostdeutschland.

Thomas Öchsner

Den "Wohlstand für alle", den Ludwig Erhard einst versprochen hatte, gibt es nicht mehr. Millionen Menschen im reichen Deutschland können von ihrer Arbeit mehr schlecht als recht leben. Das hat jetzt erneut eine Studie gezeigt. Ein Mindestlohn muss deshalb kommen - aber in der richtigen Dosis.

Fensterputzer

Ein Fensterputzer auf dem Oktoberfest 2010.

(Foto: dpa)

Die Front der Gegner wird immer kleiner: Die Union liebäugelt mit einer Lohnuntergrenze, in welcher Form, das weiß sie selbst noch nicht so genau. In der FDP gibt es erste Befürworter. Das ist ein großer Fortschritt. Es ist allerdings zu befürchten, dass ein schwarz-gelber Vorstoß zu einem Schmalspur-Mindestlohn wird: Er würde nur für wenige Auserwählte gelten und deshalb nicht viel bewirken.

Auf der anderen Seite gibt es das rot-grüne Lager, in dem man sich nach erfolgreichen Wahlen auf einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro einigen könnte.

Niedrigerer Mindestlohn im Osten

Das ist jedoch nicht ohne Gefahren, vor allem in Ostdeutschland. Dort auf einen Schlag die 8,50 Euro einzuführen, käme einer Harakiri-Aktion gleich. Es würde im Dienstleistungsgewerbe, und nicht nur bei den Friseuren, massenhaft Arbeitsplätze vernichten und die Schwarzarbeit ankurbeln. Das wissen Kundige bei SPD und Grünen durchaus. Doch keiner traut sich, dies nach mehr als 20 Jahren deutscher Einheit zu sagen.

Unabhängige Arbeitsmarktforscher schlagen deshalb 6,50 Euro im Osten und 7,50 im Westen vor, die sich schrittweise anheben lassen. Es wäre ein Kompromiss für ein parteiübergreifendes Bündnis.

Niemand sollte aber glauben, dass dies ein Patentrezept gegen Armut ist: Auch dann werden noch viele Beschäftigte auf zusätzliche staatliche Hilfe angewiesen sein. Nur ist das immer noch besser, als gar keine Arbeit zu haben.

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