Niedriger Ölpreis:Warum Spekulanten jetzt Supertanker mieten

Piraten geben saudischen Öltanker 'Sirius Star' frei

Große Öltanker als Rohstofflager: Aufnahme des saudischen Öltankers Sirius Star. Er wurde 2008 vor Somalia entführt und erst Monate später freigelassen.

(Foto: dpa)
  • Der Ölpreis sinkt in den vergangenen Wochen und Monaten beständig.
  • Internationale Ölhändler greifen deshalb zu einem ungewöhnlichen Mittel: Sie lagern Öl auf großen Tankern.
  • Gleichzeitig kaufen sie Terminkontrakte, mit denen sie das gelagerte Öl zu einem bestimmten Preis verkaufen können.
  • Gegenüber den zu erwartenden Profiten fallen die Mieten für die Tanker nicht allzu sehr ins Gewicht.

Von Michael Kuntz

Der internationale Ölhandel greift zu einem ungewöhnlichen Mittel: Er lagert das derzeit zum Niedrigpreis erhältliche Rohöl ein, bis die Notierungen womöglich steigen. Sogar einige der weltweit größten Supertanker werden angemietet. Es ist ein profitables Geschäft, doch es ist ohne Risiko.

Der Grund dafür heißt Contango. Das ist der Fachausdruck für eine Situation an den Warenterminmärkten, wie sie momentan für Erdöl besteht. Der Preis für in einem Jahr zu lieferndes Öl liegt deutlich über dem niedrigen Preis von heute. Es lohnt sich also, jetzt Öl einzukaufen zu Preisen um die 50 Dollar pro Barrel, wenn es sich gleichzeitig als Terminkontrakt für mehr als 60 Euro verkaufen lässt.

Riesentanker als günstige Alternative

Damit möglichst viel von der Differenz beim Händler hängen bleibt, dürfen die Kosten für die Finanzierung nicht zu hoch sein. Da Kapital so wie das Öl derzeit reichlich verfügbar ist, spielt dieser Aspekt eine zu vernachlässigende Rolle. Allerdings darf die Lagerung den Gewinn nicht wieder aufzehren. Teure Tanklager oder Kavernen (unterirdische Speicher) baut man für solch eine vorübergehende Marktlage eher nicht. Da sind Riesentanker eine günstige Alternative, sie werden für eine begrenzte Zeit gechartert, kosten wenig.

So soll der größte unabhängige Ölhändler Vitol sich als schwimmendes Lager die TI Oceania gesichert haben, meldet Reuters unter Berufung auf Schifffahrts- und Frachtmaklerkreise. Mit einem Fassungsvermögen von drei Millionen Barrel ist sie einer der größten Tanker. Die in der Schweiz ansässige Trafigura buchte mit der Nave Synergy ein Groß-Schiff und soll gleich zwei gechartert haben, die Xin Run Yang und die Xin Tong Yang.

Rohöl auf Vorrat kaufen, liegt im Trend. So meldete das US-Energieministerium für die vergangene Woche, dass so viel Erdöl eingelagert worden ist wie noch nie. "Das Überangebot auf dem US-Ölmarkt schlägt sich somit nun auch in kräftig steigenden Lagerbeständen bei den Ölprodukten nieder", heißt es in einer Analyse der Commerzbank. Die Amerikaner sind nicht die einzigen, die Öl bunkern. Auch China könnte die Gunst der Stunde nutzen und seine riesigen Tanklager auffüllen, die das Land beim letzten Ölpreisverfall im Krisenjahr 2009 noch nicht in diesem Umfang hatte.

Für die Rohstoffhändler ist diese Art von Terminhandel risikolos

Damals wurden auch schon Tankschiffe als Zwischenlager eingesetzt, obwohl das doppelt so teuer war wie heute. Sie konnten dann bei Bedarf dorthin gefahren werden, wo die Nachfrage am höchsten war. Volkswirtschaftlich gesehen wird dem Markt vorübergehend Öl entzogen und so der Preiseinbruch abgemildert. Auch später haben die Reserve-Öltanker einen dämpfenden Effekt, denn ihre Fracht kommt auf den Markt, wenn die Preise ohne diese zusätzlichen Mengen noch stärker steigen würden.

Für die Rohstoffhändler, die jetzt Schiffe chartern, ist diese Art von Terminhandel risikolos: Sie kaufen die Ware und verkaufen sie gleichzeitig zur Lieferung in der Zukunft. Vor fünf Jahren lagerten 200 Millionen Barrel auf großen Tankschiffen. Derzeit ist die Menge noch deutlich geringer. "Was nicht ist, kann ja noch werden", meint Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst bei der Commerzbank. Für ihn ist vorstellbar, dass der Ölpreis noch stärker unter Druck gerät. Dann würde sich das Anmieten von Tankschiffen als Zwischenlager erst recht lohnen.

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