Neugründung:Lernen an einem Start-up

Evelyn Ehrenberger, 2015

Evelyn Ehrenberger will als Präsidentin der HDBW Praxisnähe mit akademischem Anspruch verbinden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Evelyn Ehrenberger leitet seit einem Jahr die noch junge Hochschule der Bayerischen Wirtschaft. Ihrer Ansicht nach sind sowohl staatliche wie auch private Institutionen wichtig.

Von Johanna Pfund

Es ist ruhig auf dem Gang. Dem Teppichboden und der Einrichtung nach könnte es sich um eine größere Kanzlei handeln, hinge da nur nicht an manchen Türen das Schild "Klausur". In den Räumen über der denkmalgeschützten Wappenhalle, dem einstigen Empfangsgebäude des alten Münchner Flughafens Riem, befindet sich aber weder eine Kanzlei noch eine Praxis, sondern die Hochschule der Bayerischen Wirtschaft. Die Institution nahe der Messe München ist eine der jüngsten privaten Hochschulen in Deutschland, die dienstältesten Studenten kommen gerade ins sechste Semester. Wie sich die Hochschule entwickelt, steht in den Sternen. Aber das macht auch den Reiz aus: "Wir sind einfach ein Start-up, das macht es spannend", sagt Präsidentin Evelyn Ehrenberger.

Dieses Start-up war eine Idee der bayerischen Wirtschaftsverbände, die mit dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft schon lange versuchen, Fachkräfte für ihre Bedürfnisse heranzuziehen. Zwar könnte man meinen, Studiengänge würden zur Genüge an bestehenden Hochschulen und Universitäten angeboten. Immerhin gibt es in Deutschland um die 16 000 Bachelor- und Masterstudiengänge, wie Statista kürzlich vorgerechnet hat. Offenbar aber sind nicht alle Lücken gedeckt.

"Unser Ziel ist es, Formate zu entwickeln, die in der Praxis gefragt sind", erklärt Präsidentin Ehrenberger. "Das kann durchaus ein Vorteil im Berufsleben sein, wenn die akademische Qualität stimmt." Die Hochschule der Bayerischen Wirtschaft für angewandte Wissenschaften (HDBW), so der vollständige Name, bietet daher in München ein praxisorientiertes Vollzeitstudium in den Fächern Maschinenbau, Betriebswirtschaft und Wirtschaftsingenieurwesen; an den Standorten Traunstein und Bamberg kann man diese Fächer berufsbegleitend studieren.

Der Spagat zwischen Wissenschaft und Praxis ist anspruchsvoll. Die Lehrenden müssen neben dem Nachweis der wissenschaftlichen Tätigkeit auch mindestens fünf Jahre Berufserfahrung mitbringen. Eine jährliche Evaluation soll fortlaufend die Qualität sichern. Der Abschluss ist staatlich anerkannt, ein wichtiges Kriterium für die Präsidentin. "Was nützt mir ein Abschluss, der nicht anerkannt ist?" Dass die Hochschule durchaus einen akademischen Anspruch hat, zeigt die Wahl der Präsidentin. Ehrenberger, selbst promovierte Chemikerin, war bis November 2015 Vizepräsidentin für Entrepreneurship & Intellectual Property an der Technischen Universität München und ist daher mit der klassischen akademischen Ausbildung und auch den Anforderungen an Neugründungen vertraut. "Natürlich ist das Studieren an einer privaten Hochschule stärker verschult", sagt sie. Letztlich benötige eine Gesellschaft jedoch beide Formen der Ausbildung: Universitäten, die freies und eigenverantwortliches Arbeiten erfordern, wie auch eher verschulte Studiengänge, die gezielt und praxisnah ausbilden.

Die geringe Größe der Hochschule sowie das straffe Programm betrachtet die Präsidentin durchaus als Vorteil. "Wir sind klein, individuell und praxisorientierter", sagt Ehrenberger. Auch ist der Zugang zu den Dozenten einfach. "Offene Türen sind eine Verpflichtung für unsere Professoren", betont Ehrenberger.

Den engen Kontakt zu den Lehrenden schätzen Studenten wie Konstantin Willenberg. Der 23-Jährige zählt zu den Senioren an der HDBW. Das fünfte Semester Betriebswirtschaft hat er gerade abgeschlossen, nun geht es für ein Semester in die Praxis, in ein Medienunternehmen. "Man kann jederzeit in die Büros der Dozenten kommen und Fragen stellen", sagt Willenberg. "Das ist ein Pluspunkt."

Einer der größten Pluspunkte an der kleinen Hochschule ist für den Studenten aber die Interaktion. "Die Vorlesungen sind eher Diskussionen mit den Professoren", erzählt der 23-Jährige. "Ich habe das schon aus der Schule gekannt. Dort hatte ich einen Lehrer, der auch aus der Praxis kam. Bei dem habe ich mehr gelernt als bei denen, die nur Buchwissen vermitteln." Auch Vorträge gehören zum Pflichtprogramm. "Das ist ein großer Vorteil, wenn man später im Arbeitsleben Präsentationen halten muss", sagt Willenberg.

Derzeit ist die Hochschule auf der Suche nach Förderern, die Studenten unterstützen

Der größte Nachteil sind die Kosten. Stattliche 475 Euro im Monat kostet das Studium für Betriebswirtschaftler. Wirtschaftsingenieure und Maschinenbauer zahlen sogar 517 Euro im Monat. Das ist viel Geld, das ist der Präsidentin klar. Momentan bemühe sich die Hochschule darum, Förderer zu finden. "Denn wir wollen nicht nur die, deren Elternhaus sich das leisten kann", sagt Ehrenberger. Die Studenten lösen ihrer Erfahrung nach die Geldfrage auf unterschiedlichste Art: Manche werden von den Eltern unterstützt, andere nehmen Darlehen auf, andere haben Stipendien. Bei einem berufsbegleitenden Studium kann es auch sein, dass der Betrieb einen Teil der Gebühren trägt. Konstantin Willenberg wird von den Eltern unterstützt. "Ich lebe in München, hätte ich in eine andere Stadt ziehen müssen, wären ja Kosten für die Wohnung angefallen."

Den Vorwurf, man könne sich einen Abschluss erkaufen, lässt Präsidentin Ehrenberger nicht gelten. "Das stimmt nicht." Eher würde sie es so formulieren: Wer Praxisnähe oder ein berufsbegleitendes Studium suche, der sei an privaten Hochschulen besser aufgehoben. Geschenkt bekommt man die Zulassung auch hier nicht. Zugangsvoraussetzung sind ein Abiturzeugnis oder ein Meister- oder Techniker-Abschluss, ein Motivationsschreiben wie ein persönliches Gespräch. "Man sollte schon wissen, was man will", sagt Ehrenberger. Das wissen offenbar die meisten: Nur etwa zehn Prozent brechen ab oder scheitern an Prüfungen - wesentlich weniger als an staatlichen Hochschulen.

Konstantin Willenberg bereut seine Studienwahl auch nach fünf Semestern nicht. "Ich habe auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen", sagt er. Es gebe vielleicht nicht die Riesenauswahl an Seminaren, doch man könne einfach mitreden, etwa wenn es um Themen gehe. "Ich bin ganz zufrieden."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: