Neuer Kurs bei Lufthansa:Bleiben Sie angeschnallt!

An airport apron controller vehicle leads the way for an airplane during strike action by Lufthansa pilots at the Fraport airport in Frankfurt

Neuer Kurs gesucht: Eine Lufthansa-Maschine wird am Frankfurter Flughafen von einem Lotsenfahrzeug geleitet

(Foto: REUTERS)

Preiskampf, Streit mit den Gewerkschaften, miese Stimmung bei den Mitarbeitern: Lufthansa-Chef Carsten Spohr muss erklären, wie es weitergehen soll in Zeiten von Billigfliegern und der reichen Konkurrenz vom Golf. Eine Bestandsaufnahme.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Zuletzt ging es rasant - und zwar von ganz oben nach ganz unten. Am 4. April 2014 war die Lufthansa-Aktie zum ersten Mal seit November 2007 mehr als 20 Euro wert. Am 1. Mai trat Carsten Spohr seinen Posten als Vorstandschef der Lufthansa an, und am 11. Juni verkündete Finanzchefin Simone Menne eine Gewinnwarnung. Seither hat das Papier mehr als 20 Prozent verloren. So schnell kann es gehen. Wenn vieles zusammenkommt.

Zu hohe Kosten, Streit mit den Gewerkschaften, immer stärkere Konkurrenten auf der Kurz- und Langstrecke und eine miese Stimmung bei den Mitarbeitern. Carsten Spohr könnte sich also ein besseres Klima für seinen großen Auftritt am kommenden Mittwoch wünschen. Zumal die Erwartungen an ihn ziemlich hoch sind: Er soll endlich erklären, wie er den negativen Trend umkehren will.

Als Bühne für seinen Auftritt hat er ausgerechnet das Lufthansa-Schulungszentrum in Seeheim gewählt, eine Art Statussymbol für längst vergangene bessere Zeiten. Wenn man so will, eine Art Wolkenkuckucksheim der Konzerngeschichte. Hier also wird Spohr erklären müssen, dass es nicht mehr wie bisher weitergehen kann. Denn der Konzern hat gleich mehrere große Probleme - die wichtigsten davon im Überblick:

Billigkonkurrenz

Die Billigfluggesellschaften kommen mittlerweile in Europa auf einen Marktanteil von knapp unter 50 Prozent. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie das dominierende Geschäftsmodell werden. Lufthansa hat massiv Marktanteile verloren und jahrelang hohe Verluste auf den Kurzstrecken angehäuft. Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister hat im Vorfeld des Spohr-Auftritts erneut angedeutet, der Konzern müsse sich mehr Billig-Prinzipien zu eigen machen, ohne dass darunter das Produkt leide.

Erst sehr spät hat Lufthansa beschlossen, den eigenen Billig-Ableger Germanwings stark wachsen und die dezentralen Strecken außerhalb der Drehkreuze in München und Frankfurt fliegen zu lassen. Doch mittlerweile reift die Erkenntnis, dass Germanwings alleine nicht ausreicht. Die Regional-Airline Eurowings soll als Plattform für einen neuen Ableger dienen, der europaweit nach dem Billigkonzept fliegt. Doch die Risiken sind groß. Denn es gibt mit Ryanair, Easyjet, Vueling, Norwegian und Wizz Air schon fünf große Billigfluggesellschaften mit niedrigeren Kosten.

Macht vom Golf

Lufthansa hat bisher kein Rezept gefunden, wie sie Emirates, Etihad und Qatar Airways wirkungsvoll begegnen will. Die eigenen Kosten liegen ungefähr ein Drittel höher, entsprechend sind die Preise, das Bordprodukt ist trotz Milliardeninvestitionen tendenziell schlechter. Umgekehrt: Wenn Lufthansa bei den Preisen mithalten will, schreibt sie Verluste. Zwar darf Emirates nur vier Flughäfen in Deutschland ansteuern, diese dafür aber unbegrenzt oft und mit großen Jets.

Die Golf-Carrier sind mittlerweile aber nicht nur auf der Langstrecke eine Bedrohung, sondern auch innerhalb Europas. Bestes Beispiel ist der Fall Air Berlin. Der Lufthansa-Konkurrent überlebt derzeit vor allem wegen der Finanzhilfen des größten Anteilseigners Etihad Airways (29,2 Prozent). Die Lufthansa spricht von staatlichen Beihilfen, die eingeschränkt werden müssten. Etihad gehört der Regierung Abu Dhabis.

Ausbau, Rückbau, Umbau

Als Wolfgang Mayrhuber noch Vorstandsvorsitzender der Lufthansa war, kursierte eine Zeichnung mit konzentrischen Kreisen: Wer nahe am Mittelpunkt war, durfte sich zum Kerngeschäft zählen, also sicher wähnen. Wer nur eine äußere Umlaufbahn erwischt hatte, musste sich sorgen. Um die Definition, wie eigentlich Lufthansa künftig aussehen soll, was zum Konzern dazugehören könnte und was nicht, hat sich zuletzt kaum jemand gekümmert. Zu sehr war das Management mit den Problemen der fliegenden Gesellschaften beschäftigt.

Dabei sind viele strategische Fragen nur halb beantwortet: Was passiert mit dem Catering-Geschäft? Ist es wirklich eine gute Idee, auf Dauer eine eigene Frachterflotte zu betreiben? Was wird aus dem IT-Ableger Lufthansa Systems, aus dem schon die Rechenzentren herausgelöst werden sollen? Sollte Lufthansa zukaufen und wenn ja, was? Noch mehr Airlines oder eher Unternehmen in der Reisekette?

Sparen, nur wie?

Das größte strukturelle Problem der Lufthansa sind die hohen Kosten. Auf der Kurzstrecke liegen sie bis zu doppelt so hoch wie bei Ryanair, auf der Langstrecke etwa ein Drittel über Konkurrenten wie Emirates. Einen großen Teil der Kosten kann Lufthansa nicht kontrollieren, so etwa die Gebühren für Flugsicherung und Flughäfen. Auch die Luftverkehrsabgabe drückt auf den Gewinn. Bei dem Teil der Kosten, den es beeinflussen könnte, stößt das Unternehmen auf massiven Widerstand vor allem der Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO).

Immer noch verhandeln Konzern und Piloten über eine neue Altersversorgung, da droht schon der nächste Konflikt. Die VC will verhindern, dass Lufthansa Strecken an günstigere Ableger wie Eurowings ausflaggt, die nicht dem Konzerntarifvertrag (KTV) unterliegen. Fest steht: Das Umbauprogramm Score, das das Ergebnis um 1,5 Milliarden Euro verbessern soll, reicht nicht aus.

Schwierige Töchter

Aufsichtsratschef Mayrhuber hat in seiner Zeit an der Spitze des Vorstands kräftig eingekauft: Swiss, Austrian und Brussels Airlines. Doch nur Swiss, die bereits vor dem Einstieg der Lufthansa zu einem guten Teil saniert war, hat die Erwartungen erfüllt. Sowohl Brussels als auch Austrian stecken noch mitten im Umbruch. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob traditionelle Anbieter wie Brussels und Austrian im Europaverkehr, in dem sie vor allem aktiv sind, auf Dauer noch die richtige Wahl sind, oder ob Lufthansa nicht eigentlich schon viel früher auf andere Geschäftsmodelle hätte setzen müssen - siehe Eurowings.

Freunde und Feinde

Carsten Spohr hat viele Unterstützer im Konzern, er hat in den vielen Jahren ein großes Beziehungsnetz aufgebaut. Nicht zu seinen Freunden gehört ausgerechnet Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber, der Spohr erst nach ausgiebiger monatelanger externer Suche nach Alternativkandidaten berief. Nach SZ-Informationen hatte einer dieser Kandidaten schon einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen, sagte aber ab.

Die Frage, wen Spohr künftig in Top-Positionen um sich schart, wird intern genauestens beobachtet - und der neue Chef weiß das. Deswegen macht er eines gerade nicht: Dinge, die alle von ihm erwarten. Der von ihm nicht gerade geliebte Strategiechef Sadiq Gilani darf weiterhin Konzepte entwickeln. Personalvorstand Bettina Volkens übernahm dieses Ressort auch für die Flugsparte in Personalunion und muss nun erst recht liefern, statt jetzt schon verabschiedet zu werden. Andererseits: Viele Spohr-Vertraute warten noch auf den nächsten Karriereschritt.

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