Neuer Großaktionär von Air Berlin:Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

Leonard Blavatnik gilt unter Geschäftsfreunden als Hitzkopf. Bei seinen Investitionen lässt sich der US-Milliardär nicht aus der Ruhe bringen. Jetzt will er die Fluglinie Air Berlin langfristig in die Erfolgsspur führen.

Andreas Oldag

"Ich sehe Gelegenheiten, keine Risiken", sagt Leonard ("Len") Blavatnik. Firmenkäufe nach diesem Motto haben den russischstämmigen Milliardär zu einem der reichsten Männer Amerikas gemacht. Jetzt soll es wieder zum Einsatz kommen: Während Börsenanalysten die schwache Ertragslage der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin rügen, sieht Blavatnik die Möglichkeit zum Angriff auf den Platzhirsch Lufthansa.

Neuer Großaktionär von Air Berlin: US-Milliardär Blavatnik

US-Milliardär Blavatnik

(Foto: Foto: oh)

Also soll Air Berlin ein langfristiges Engagement der von Blavatnik kontrollierten Holding Access Industries in New York werden. Und Air-Berlin-Chef Jürgen Hunold lobt seinen neuen Besitzer als einen "über jeden Zweifel erhabenen Investor", was sicher eine Anspielung auf die Vatas-Gruppe des US-Milliardärs Robert Hersov ist, die sich mit 18,56 Prozent an Air Berlin beteiligte, dabei durch den Kursrutsch der Aktie viel Geld verlor und deren Anteil Blavatnik jetzt übernimmt.

Analysten halten es nun für möglich, dass der neue Großaktionär darauf drängen wird, Air Berlin wieder von der Börse zu nehmen. "Blavatnik hätte größere Freiheit, ein Sanierungskonzept umzusetzen. Er ist kein Freund von bürokratischen Börsenregularien", sagt ein Banker eines großen Kreditinstituts in der Londoner City.

Wettbieten ums Wohnhaus

Das wäre typisch für Blavatnik, den Verschwiegenen, den Öffentlichkeitsscheuen: Nur selten sieht man ihn in New York bei den üblichen Festivitäten und Charity-Dinners der Wall-Street-Schickeria, obwohl er zu den großen Kunst- und Kulturspendern der Stadt gehört.

Berichte von britischen Zeitungen über eine Privatfehde mit seinem Landsmann und Milliardärskollegen Roman Abramowitsch gingen ihm gegen den Strich. Beide wollten das gleiche Zehn-Zimmer-Anwesen in der Londoner Villenstraße Kensington Palace Gardens kaufen, Blavatnik gewann das Bietergefecht, indem er umgerechnet 56 Millionen Euro zahlte. Ein zu hoher Preis, sagen Immobilienexperten. Immerhin ist er am Zweitwohnsitz an der Themse nun Nachbar des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal.

Auch das ist typisch für Blavatnik: Er gilt als Hitzkopf, Geschäftsfreunde sagen, dass er zu Wutausbrüchen neigt. So habe er es nur schwer verkraften können, dass ein Konkurrent ihm die vom britischen Ölkonzern BP kontrollierte Chemiesparte Innovene vor drei Jahren wegschnappte. Auch beim amerikanischen Chemiehersteller Huntsman, auf den es Blavatnik abgesehen hatte, zog er den Kürzeren.

Umso verbissener schacherte er dann um die einstigen Chemiesparten von BASF und Shell, die er mit dem US-Unternehmen Lyondell zusammenführte. Damit etablierte sich Blavatnik mit der Firma Lyondell-Basell Industries als einer der weltgrößten Grundstoffchemie-Produzenten. Zudem hat er Anteile am russischen Ölkonzern TNK-BP und am Aluminium-Unternehmen Rusal.

Blavatnik habe sein Vermögen aus dem Nichts geschaffen, schrieb das Boulevardblatt New York Post. Doch die Legende des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär stimmt nicht ganz. Richtig ist, dass Blavatnik 1978 aus der Ukraine auswanderte und mittellos in den USA seine Karriere begann. Er studierte später an der Universität Harvard Wirtschaftwissenschaften. Doch der Harvard-Abschluss hätte ihn kaum weitergebracht, jedenfalls nicht so, wie die guten Beziehungen zu seinem ehemaligen Schulfreund Viktor Wechselberg.

Der studierte Mathematiker war einer der großen Nutznießer der Privatisierungswelle in der ehemaligen Sowjetunion und gilt als Ziehvater und Förderer Blavatniks - durchaus zum gegenseitigen Vorteil. Während Wechselberg in Moskau die Fäden für Firmenbeteiligungen zog, beschaffte sein Partner in New York westliches Kapital. 1986 gründete Blavatnik die Industrieholding Access.

Gespanntes Verhältnis zum Kreml

Längst hat sich der Lehrling vom Lehrmeister unabhängig gemacht. Blavatnik sieht sich heute weniger als russischer denn als amerikanischer Geschäftsmann. Dazu zählen auch seine Beteiligungen am US-Musikkonzern Time Warner sowie an mehreren Telekommunikationsfirmen. Seine Bestrebungen, das Portfolio von Access stärker zu diversifizieren, könnten aber auch einen politischen Hintergrund haben.

Der Kreml hat ein gespanntes Verhältnis zu seinen Oligarchen. Auf Druck der Behörden musste etwa TNK-BP vergangenes Jahr seinen Mehrheitsanteil am riesigen sibirischen Gasfeld Kowykta an den von Moskau beherrschten Konkurrenten Gazprom abtreten. Jetzt durchsuchten die Behörden TNK-BP-Geschäftsräume wegen eines angeblichen Spionageskandals.

Insofern ist es kein Zufall, dass sich Blavatnik offenbar anderen Branchen in politisch stabileren Regionen zuwendet. Andererseits kann er mit Air Berlin bald nach Moskau fliegen, um die Kreml-Herren doch noch davon zu überzeugen, dass seine TNK-BP-Beteiligung nützlich für sie ist.

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