Neuer BDI-Chef:Der große Spagat

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Hans-Peter Keitel muss als neuer BDI-Chef die Manager in ein besseres Licht rücken - und zugleich die Industrie kraftvoll vertreten.

Hans von der Hagen

Dante und Herrhausen. Wenn sich ein Redner mit seinen Zitaten und Anspielungen den Beistand des mittelalterlichen italienischen Dichters Dante Alighieri und des früheren Chefs und Vordenkers der Deutschen Bank Alfred Herrhausen sichert, sagt das einiges über seinen Anspruch aus. Das gilt besonders für Hans-Peter Keitel, der in Kürze sein Amt als Chef des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) antritt.

Hans-Peter Keitel will zeigen, dass "die deutsche Wirtschaft viel mehr kann und viel besser ist", als es die Schlagzeilen glauben machen (Foto: Foto: Heddergott)

Er ist ein großgewachsener Mann mit intellektuellem Habitus. Jemand, der gut als Dozent für englische Literatur durchgehen könnte, tatsächlich aber gelernter Ingenieur ist und 15 Jahre Chef des Baukonzerns Hochtief war. Schon der Ort seiner Rede war eine Überraschung, da sie so kurz vor dem BDI-Amtsantritt mehr als eine der üblichen Verbandsreden sein musste. Nicht in Berlin, dem Sitz des BDI, sondern bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in München trug er vor, wie er den BDI künftig repräsentieren wird. Es war eine Grundsatzrede.

"Grundlegender Werteverfall"

Die Erwartungen an den früheren Chef des Baukonzerns Hochtief sind enorm, denn er muss einen schwierigen Spagat schaffen: Die Industrie fordert, dass er der mächtigsten Interessenvertretung der deutschen Wirtschaft wieder einen starken Auftritt verschafft. Unter der Ägide des glücklosen Präsidenten Jürgen Thumann wurde der Verband in der Öffentlichkeit nicht mehr so wahrgenommen, wie es noch unter dessen lautstarken Vorgängern Hans-Olaf Henkel und Michael Rogowski der Fall war.

Die Öffentlichkeit hingegen will sehen, dass Manager in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Generationen auch zur Selbstkritik fähig sind. Dafür taugte dann Dante bestens, den Keitel in Anspielung auf einige besondere Merkmale des Veranstaltungsortes gleich zu Beginn seiner Rede platzierte: "Wer Dante kennt, der weiß, dass die sieben Todsünden in unterschiedlichen Temperaturbereichen der Hölle zu büßen sind und dass in der schlimmsten Glut nicht etwa die häufig dort erwartete Sünde des Ehebruchs gesühnt wird, sondern die 'Gier' und der 'Hochmut'."

Das war der feurige Teil seiner Rede, reich an Anspielungen, dem viele nachdenkliche Worte folgten. Keitel sieht in der Krise mehr als nur "einen Betriebsunfall", sondern einen "grundlegenden Werteverfall besonders in Teilen der Finanzwirtschaft". Die Folge: Die Sympathie für den Sozialismus wachse und die soziale Marktwirtschaft - für die sich der BDI stets stark macht - sei in Gefahr.

Keitel weiß, dass es in dieser Zeit nicht ausreicht, als BDI-Chef wie gewohnt nur auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu pochen. Oder die Banken für die schleppende Kreditvergabe zu attackieren: "Es ist nicht zu tolerieren, wenn sich der Finanzsektor vorwiegend mit sich selbst beschäftigt."

"Angenehmer Menschenfänger"

Aber immer wieder kommt er auf die Themen Anstand und Moral zurück. Er versucht, beide Seiten im Blick zu halten - das, was getan und das, was gelassen werden muss. Er ist der Mann für das große Ganze, "der nicht nur den eigenen Strafraum, sondern auch den gegnerischen sieht", wie sein früherer Gegenspieler bei Hochtief, Betriebsratschef Gerhard Peters, lobt.

Der BDI hat sich keinen neuen Scharfmacher geholt. Keitel leitet Tadel mit Sätzen wie "Ich gestatte mir diese kritische Bemerkung" ein. Dafür hat der Interessenverband einen Vordenker gewonnen, der vielleicht das schaffen kann, was in diesen Tagen noch weit mehr benötigt wird: Er könnte das Vertrauen in die Manager wiederherstellen. Keitel will zeigen, dass "die deutsche Wirtschaft viel mehr kann und viel besser ist", als es die Schlagzeilen glauben machen. Dass nicht nur Bürger Selbstverantwortung übernehmen sollen, sondern auch die Unternehmen, die nicht bloß den Staat zu Hilfe rufen dürften.

Wer so viel Weitsicht beweisen will, kommt dann auch leicht auf Alfred Herrhausen: "Sagen, was wir denken, und tun, was wir sagen", zitiert er den früheren Querdenker der deutschen Bankenszene, mit dem er sich offenbar durch die Tätigkeit beim Initiativkreis Ruhr verbunden fühlt, bei dem Herrhausen einer von Keitels Vorgängern als Repräsentant war. Keitel sei ein "angenehmer Menschenfänger", sagen Leute, die ihn schon lange kennen. Das kann er nun beweisen.

© SZ vom 19.12.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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