Neue Vorwürfe gegen Siemens:Die chinesische Krankheit

Erst tauchten Anschuldigungen im Internet auf - jetzt ermitteln chinesische Behörden gegen den Münchner Konzern. Der Vorwurf lautet: Bestechung.

Janis Vougioukas

Dem Münchner Siemens-Konzern drohen neue Korruptionsvorwürfe in China. Die chinesischen Antikorruptionsbehörden untersuchen die Verstrickung des Münchner Konzerns in einen Bestechungsfall in einem Krankenhaus in der nordostchinesischen Provinz Jilin.

Peter Löscher in China

Siemens-Chef Peter Löscher beim Besuch einer Unternehmenstochter in China.

(Foto: Foto: dpa)

Entsprechende Gerüchte tauchten in der vergangenen Woche erstmals im chinesischen Internet auf. Die Pekinger Siemens-Zentrale bestätigte inzwischen, dass die Polizei eine chinesische Mitarbeiterin des Konzerns vorübergehend festgenommen und verhört habe. Die Mitarbeiterin sei inzwischen wieder auf freiem Fuß und bei Siemens vorübergehend beurlaubt.

Chinesische Medien berichteten, der Leiter des Zentralkrankenhauses der Stadt Songyuan, Hou Yingshan, sei wegen des Verdachts auf Korruption festgenommen worden.

"Unangemessene Geschäftsaktivitäten"

Hou sei seit 1992 für den Einkauf von Medikamenten und medizinischen Geräten zuständig gewesen. Immer wieder habe das Krankenhaus auch Ausrüstung bei Siemens bestellt. Krankenhaus und Behörden wollten den Fall am Montag nicht kommentieren, die Polizei berief sich dabei auf "laufende Ermittlungen".

Die Siemens-Mitarbeiterin arbeitet im Vertriebsbüro des Konzernbereichs Medical Solutions in Changchun. Der Fall ist für Siemens brisant, weil die chinesischen Behörden offenbar erstmals einen Siemens-Mitarbeiter in China im Zusammenhang mit Korruptionsermittlungen befragen.

Erst vor wenigen Tagen hatte China-Chef Richard Hausmann "inakzeptables Verhalten" und Fälle von "unangemessenen Geschäftsaktivitäten" in China zugegeben. Im Zusammenhang mit den konzerninternen Ermittlungen gegen Korruption seien in den vergangenen zwölf Monaten zwanzig Mitarbeiter entlassen worden. Siemens Medical Solutions gehört weltweit zu den größten Anbietern im Gesundheitswesen und beschäftigt rund 41000 Mitarbeiter in 130 Ländern.

Das chinesische Gesundheitssystem gilt als besonders korruptionsanfällig. Erst vor wenigen Wochen war Zheng Xiaoyu, ehemaliger Chef der chinesischen Arzneimittelbehörde hingerichtet worden, nachdem er Medikamente ohne ausreichende Prüfung für den Verkauf zugelassen hatte und dafür Bestechungsgelder von umgerechnet 650.000 Euro angenommen hatte.

Mindestens zehn Menschen starben dadurch. Der Einkauf medizinischer Ausrüstung wird häufig über Vermittler abgewickelt. Brancheninsider berichten, das es nicht ungewöhnlich sei, den Krankenhäusern für größere Bestellungen "Dankeszahlungen" von umgerechnet bis zu 10.000 Euro für größere Aufträge zukommen zu lassen.

Chinas Regierung hat ihren Kampf gegen Korruption in den vergangenen Wochen verstärkt - und zunehmend geraten dabei auch ausländische Firmen ins Fadenkreuz der chinesischen Behörden.

Im vergangenen Jahr kam eine Studie der Pekinger Beratungsagentur Anbound zu dem Ergebnis, dass ausländische Firmen an fast zwei Dritteln der 100.000 Korruptionsfälle beteiligt waren, die die chinesischen Ermittler seit 1996 beschäftigten. "Bargeld, Wohnungen und luxuriöse Geschenke für lokale Firmen und Behördenvertreter sind für viele ausländische Firmen ein unerlässliches Hilfsmittel, um Aufträge in China zu gewinnen", schrieb die Volkszeitung, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei.

Erst am Montag kündigte der französische Handelskonzern Carrefour den Kampf gegen Korruption an, nachdem im Juli 22 Lieferanten und Einkaufsleiter in Peking wegen Bestechungszahlungen festgenommen worden waren.

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