Neue Seidenstraße:Ein Band, eine Straße - aber nur in eine Richtung?

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Auch der Hafen von Piräus, Griechenland, ist Teil der maritimen "Neuen Seidenstraße" zwischen China und Europa. (Foto: Yan Liang/Imago/Xinhua)

Chinas Pläne sorgen für Aufregung. Doch trotz großer Investitionen wird klar: Peking verschenkt nichts.

Von Marcel Grzanna

Das Konzept der "neuen Seidenstraße" geht auf. Zumindest wenn man es als eine reine Marketingstrategie betrachtet. Der Volksrepublik China ist es allein mit der Ankündigung einer Wiederbelebung 500 Jahre alter Handelsrouten gelungen, den halben Erdball in Aufregung zu versetzen. Globalen Umfragen zufolge hat sich die weltweite Kenntnis von dem Projekt seit 2014 bereits verdreifacht. Fast jeder fünfte Erdenbürger soll heute schon eine Vorstellung davon haben, was das eigentlich sein soll, diese neue Seidenstraße.

Die Routen von damals, die der Globalisierung einst den Weg ebneten, machen nur noch einen Bruchteil dessen aus, was sich Peking als Infrastrukturnetz der Zukunft vorstellt. Die One-Belt-One-Road-Initiative (Obor), wie sie offiziell heißt, ist mehr als die asphaltierte Version eines Wüstenpfades antiker Tage. Sie soll in Europa, in Teilen Afrikas, in Zentral- und Südasien, im Mittleren Osten und in Südostasien Handel und Transport des 21. Jahrhunderts im chinesischen Sinne prägen und verändern. Sie soll Chinas Hinterland wirtschaftlich aufpäppeln, indem es die Regionen mit den Nachbarländern im Westen verknüpft. Sie soll Produktions-Überkapazitäten aus der Volksrepublik in Entwicklungsländer exportieren, um dort sowohl neue Märkte für chinesische Unternehmen zu erschließen als auch technische Standards zu etablieren.

Dutzende Länder hat Peking bereits integriert und Abermilliarden Dollar investiert

Das Tempo, das China bei der Umsetzung vorlegt, ist immens. Dutzende Länder hat Peking bereits integriert und Abermilliarden Dollar investiert: Containerhäfen, Terminals, Eisenbahnlinien, Kraftwerke, Straßen, Raffinerien. Schätzungen gehen davon aus, dass sich das finanzielle Volumen aller Vorhaben im Rahmen der Obor-Initiative in den kommenden 30 Jahren auf mehrere Billionen Dollar belaufen könnte. Doch es geht nicht nur um Straßen und neue Seewege, um Logistik und Handel oder eine gesicherte chinesische Energieversorgung für Krisenzeiten. Nicht zuletzt geht es auch um politischen Einfluss, der sich langfristig wirtschaftlich auszahlen soll.

Schon längst reicht Chinas langer Arm bis in die Europäische Union. Im vergangenen Jahr verweigerten Ungarn und Griechenland ihre Zustimmungen zu Stellungnahmen der EU zu Menschenrechtsverletzungen in China. Griechenland und Tschechien sollen zudem die europäische Regelung für Investitionskontrollen verwässert haben. Alle drei Staaten profitieren von chinesischen Investitionen oder Krediten. Die Vermutung lag nah, dass sie den Chinesen gegenüber in diplomatische Vorleistung getreten waren, als sie sich gegen ihre Bündnispartner stellten und dem schwerreichen Partner aus dem Osten damit in die Karten spielten.

"Politische Einflussnahme ist ein Problem. Schnelles chinesisches Geld ist bei dem einen oder anderen Regierungschef durchaus beliebt und stellt eine Herausforderung für die EU dar", sagt Thomas Eder, der sich beim Berliner Mercator Institut für China-Studien mit dem globalen Handel befasst. Misstrauisch beäugt man in Brüssel deshalb auch das erst wenige Jahre alte Forum 16+1, in dem die Chinesen regelmäßig mit 16 Staaten des früheren Ostblocks zusammentreffen, von denen zwölf gleichzeitig Mitgliedsstaaten der EU sind. Erst im November sagte Chinas Ministerpräsident Li Keqiang dem Block drei Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte zu. "Die EU muss zeigen, dass ihr Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit attraktiver ist und ihre Investitionen nachhaltiger sind", so Eder.

In Ansätzen gelingt das bereits durch alternative Finanzierungsmodelle. Teilweise in Europa, aber auch in asiatischen Ländern. Zum Beispiel über die Entwicklungsbank AIIB, die von China vor drei Jahren ins Leben gerufen wurde. Zahlreiche EU-Staaten kauften sich weitsichtig in die Bank ein und bestimmen seitdem ihre Geschicke mit. Wegen ihrer internationalen Struktur sorgt die AIIB für Transparenz bei Ausschreibungen. Obor-Projekte genießen jedoch keine Priorität. Japan geht in Südostasien ebenfalls in die Kreditoffensive und versucht, dem Erzrivalen aus China mit entsprechenden Finanzspritzen Paroli zu bieten und das Gleichgewicht zu wahren.

Das Projekt Seidenstraße befindet sich erst am Anfang, und doch machen sich mögliche Trends bereits bemerkbar. Eine Studie der Freien Universität Brüssel fand heraus, dass der Anteil europäischer Hochtechnologie auf den Märkten jener Länder, die zu den Obor-Anrainern gezählt werden, von 2008 bis 2014 von 62 auf 30 Prozent gesunken war. Der Anteil chinesischer Technologie stieg derweil von 15 auf 26 Prozent in den Ländern. Dagegen werden EU-Unternehmen, auch deutsche Unternehmen, aus den Märkten gedrängt. Obor könnte diese Entwicklung beschleunigen. Erst kürzlich berichtete das Handelsblatt, dass 27 EU-Botschafter in Peking die Seidenstraßen-Initiative als Verschiebung des Kräfteverhältnisses "zugunsten subventionierter chinesischer Unternehmen" kritisierten. Nur der ungarische Botschafter schloss sich nicht an.

"Langsam wachen viele Länder auf und stellen fest, dass die Chinesen nichts zu verschenken haben. Die fragen sich jetzt: Bedeutet One Belt, One Road auch gleichzeitig one way?", sagt Jörg Wuttke, der frühere Präsident der EU-Handelskammer.

In Polen hatte man vergeblich darauf gehofft, dass künftig tonnenweise polnische Äpfel im Land verzehrt würden, nachdem Chinas Präsident Xi Jinping bei einem Staatsbesuch herzhaft in eine Frucht gebissen hatte. "China benutzt die Vielfalt der 16 Zentral- und osteuropäischen Staaten dazu, seine eigenen Interessen zu begünstigen", erkannte Rafael Tuszinsky von der Universität Lodz im Fachmagazin Europolity. Das chinesische Prinzip laute divide et impera, teile und herrsche. Im Juli will die EU in einem Strategiepapier den Umgang mit Chinas Vorgehensweise festlegen. "Den Nehmerländern muss es gelingen, durch den Propagandahype zu schauen und sich dann zu fragen, was brauchen wir wirklich", sagt Wuttke.

Die chinesischen Banken vergeben die Kredite zu sehr hohen Zinsen

Zu jedem Preis wollen sich viele Anrainerstaaten offenbar nicht auf die chinesischen Pläne einlassen, nur weil sie große Zahlen bieten. In Nepal verweigerten die örtlichen Behörden grünes Licht für einen Dammbau, der 2,5 Milliarden US-Dollar verschlingen sollte. Die Regeln für eine faire Ausschreibung seien nicht eingehalten worden, lautete die Begründung. In Myanmar wurde im November der Bau einer Raffinerie für drei Milliarden Dollar abgesagt, weil sich niemand finden ließ, der sich an die Finanzierung wagte. Denn selbst wenn Peking Abermilliarden Dollar investieren will, sind es immer noch chinesische Banken, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die nötigen Kredite vergeben. Das tun sie zum Teil mit sehr hohen Zinsen, um die teilweise großen Risiken auszugleichen.

Das setzt Nehmerländer zusätzlich unter Druck. In Sri Lanka entschied sich die Regierung kürzlich für den Verkauf eines großen Teils des neuen Hafens Hambantota an ein chinesisches Staatsunternehmen. Das Land konnte seiner Zahlungsverpflichtung schlicht nicht nachkommen. Jetzt sitzen die Chinesen auf 80 Prozent eines Hafens, der ihnen irgendwann strategische Vorteile bringen soll, wirtschaftlich aber wenig Sinn ergibt.

© SZ vom 16.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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