Neue Regierung:Schluss mit dem Sparen

Portuguese government collapses after losing confidence vote

Blick ins portugiesische Parlament, wo die linken Parteien nun eine Mehrheit haben. Doch das Bündnis gilt als äußerst instabil.

(Foto: Miguel A. Lopes/dpa)

In Portugal könnte der Sozialist António Costa die Regierung übernehmen. Damit stehen auch erfolgreiche Reformen auf der Kippe. Das Land droht in alte Krisenzeiten zurückzufallen.

Von Thomas Urban, Madrid

Schnell hat die portugiesische Regierung an diesem Wochenende die Privatisierung der angeschlagenen Fluggesellschaft TAP unter Dach und Fach gebracht. Den Zuschlag für die größte portugiesische Airline bekam das Konsortium Gateway, das David Neeleman, brasilianisch-amerikanischer Geschäftsmann aus der Luftfahrtbranche, und Humberto Pedrosa, portugiesischer Transportunternehmer, gemeinsam kontrollieren. Die neuen Eigentümer übernehmen auch die Schulden. Deshalb fließen vom Kaufpreis von 354 Millionen Euro nur etwa zehn Millionen ins Staatsbudget.

Die Regierung unter Pedro Passos Coelho hatte es eilig, denn sie wurde am Donnerstag nur elf Tage nach ihrer Amtseinführung von der linken Parlamentsmehrheit gestürzt. Nun ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. António Costa, der Führer der Sozialisten, der die Nachfolge Coelhos als Ministerpräsident antreten möchte, hatte zuvor verkündet, dass TAP zu 51 Prozent in den Händen des Staates bleiben müsse. Doch so unrecht dürfte Costa die Privatisierungsaktion der noch regierenden Mitte-Rechts-Koalition nicht sein. Denn für die Aussicht, gegen viel Geld nur ein Minderheitsanteilhaber einer hoch verschuldeten staatlichen Fluglinie zu werden, hatte sich kein einziger Investor interessiert. So veranschaulicht der Fall das Dilemma Costas, der nun verspricht, an der Spitze der Regierung die Sparpolitik der vergangenen vier Jahre zu beenden: Sein einziges Rezept ist eine Reichensteuer, eine Maßnahme, die erfahrungsgemäß zu Kapitalflucht und Investitionsblockade führt. In den nächsten Tagen muss Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva entscheiden, ob er Coelho, den erfolgreichen Reformer, bis zu Neuwahlen im Amt lässt oder Costa, dessen Kritiker, mit der Regierungsbildung beauftragt. Cavaco selbst hatte das Land Mitte der Neunziger als Regierungschef mit einem Sparprogramm aus einer schweren Rezession geführt.

Das einzige Rezept gegen die Krise: eine Reichensteuer, die Investoren eher verschreckt

Eines aber hat Costa, der ehrgeizige Sozialistenchef, schon geschafft: Ganz Europa schaut nun wieder auf das Elf-Millionen-Volk am Atlantik. Verfechter eines Stabilisierungskurses, wie ihn die große Koalition in Berlin sowie sämtliche nord- und osteuropäische EU-Länder fordern, sind zutiefst beunruhigt; linke Gruppierungen in den Krisenländern des Mittelmeerraums, die deutsche Linke sowie die Keynesianer unter den Ökonomen aber jubeln.

Dabei hatte Portugal im Mai vergangenen Jahres das Programm der drei Kreditgeber, die das Land 2011 vor dem Staatsbankrott gerettet hatten, beenden und an die internationalen Finanzmärkte zurückkehren können. Der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die EU hatten Kredite über insgesamt 78Milliarden Euro gewährt, weil das Land kreditunwürdig geworden war: Lissabon hätte für zehnjährige Staatsanleihen 18 Prozent Zinsen garantieren müssen - sieben Prozent gelten als Schmerzgrenze, allerdings nur für funktionierende Volkswirtschaften. Coelho hatte seit seiner Wahl Ende 2011 mit einem Sparprogramm das Land aus der Rezession führen können; auch sank die Arbeitslosigkeit von 18 auf 12 Prozent.

Allerdings hatte Coelhos Mitte-Rechts-Koalition bei den Wahlen am 4. Oktober ihre absolute Mehrheit verloren und verfügt nur noch über 107 der 230 Sitze im Parlament. Coelho und auch Staatspräsident Cavaco strebten eine große Koalition mit den Sozialisten Costas an, zumal da dieser im Wahlkampf gelobt hatte, keinesfalls mit einer der linksextremen Parteien zusammenzugehen. Doch genau das tat er, nachdem die Sozialisten nur 83 Mandate erreicht hatten: Mit dem Linksblock (BE), der von der griechischen Syriza und den spanischen Linksalternativen von Podemos unterstützt wird, sowie einem Bündnis aus Kommunisten und Grünen, lehnten die Sozialisten das Regierungsprogramm Coelhos ab. Costa kündigte an, eine Minderheitsregierung zu bilden.

Der Linksschwenk Costas, der bislang als Oberbürgermeister von Lissabon für eine kalkulierbare Politik stand, ließ die Börsenkurse um sechs Prozent einbrechen; dafür stiegen die Zinsen für Staatsanleihen auf knapp 2,9 Prozent, nachdem sie im März bei für Lissabon überaus günstigen 1,3 Prozent gelegen hatten. Zudem senden Costa und seine Mannschaft widersprüchliche Signale: Einerseits kündigen sie an, alle internationalen Verpflichtungen Portugals einzuhalten, darunter die Defizitgrenze von drei Prozent für den Staatshaushalt. Andererseits möchte Costa die Bedingungen für die Rückzahlung der Rettungskredite neu verhandeln.

Die Gesundheitsversorgung will der Neue wieder vollständig aus Steuern finanzieren

Damit geht er auf die Forderungen seiner neuen Partner ein. Diese hatten die Sozialisten in der Vergangenheit als ihre Erzfeinde betrachtet, da sich die damalige sozialistische Regierung 2011 zum Sparprogramm als Gegenleistung für das Kreditpaket verpflichtet hatte. Der Linksblock hat im Wahlkampf einen Schuldenschnitt für Portugal gefordert, die Kommunisten den Austritt des Landes aus der EU. Auch sehen die linksextremen Gruppierungen die Wirtschaftskrise als Folge der Sparpolitik und weisen das Argument zurück, dass es genau umgekehrt gewesen sei: Es musste gespart werden, weil Staat und vor allem Privathaushalte hoch verschuldet sind. Das Bündnis des linken Lagers gegen Coelho ist also äußerst fragil, viele Konfliktlinien sind jetzt schon sichtbar. Auch ist jede der linken Gruppierungen in sich zerstritten; für Costa dürfte es also sehr schwer sein, mit diesen Partnern eine stabile Regierung zu bilden.

Für den Fall, dass er wirklich zum Regierungschef gewählt wird, hat Costa ein ganzes Bündel von Maßnahmen angekündigt, um das Sparprogramm zu überwinden. Vor der Wahl hatte er noch versprochen, es zu respektieren. Nun will er den Mindestlohn von 505 auf 600 Euro im Monat erhöhen, Renten- und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst rückgängig machen. Auch soll die 35-Stunden-Woche für die Beamten wiederkommen. Portugal verfügte vor der Krise über 900 000 öffentlich Bedienstete, im Verhältnis doppelt so viele wie in der Bundesrepublik. Auch werden vier Feiertage, die das Kabinett Coelho gestrichen hatte, wieder eingeführt. Schließlich soll das Gesundheitssystem wieder zur Gänze aus Steuern finanziert werden. Das Kabinett Coelho hatte hier Zuzahlungen durchgesetzt - auch, um den in Portugal extrem hohen Medikamentenverbrauch einzudämmen. Diese Vorhaben werden nach Berechnungen der Wirtschaftspresse Milliarden kosten, die aber kaum durch eine Reichensteuer gedeckt werden könnten. Denn das Rückgrat der portugiesischen Volkswirtschaft bilden kleine und mittlere Betriebe, die dafür wegen ihrer geringen Gewinne gar nicht herangezogen werden könnten.

Costa erklärte dazu, durch die Erhöhung dieser öffentlichen Ausgaben solle ein stabiles Wachstum erzielt werden. Allerdings war schon der vorige sozialistische Premierminister Pedro Sócrates mit seinem kreditgestützten Konjunkturprogramm 2011 krachend gescheitert. Berater von Costa erklären in Hintergrundgesprächen, die Sozialisten wollten den Linksblock, die Kommunisten und die Grünen einbinden und so erziehen. Doch Wirtschaftsexperten bezweifeln, dass dies gelingen kann. Ihre Hoffnung: Costa werde sehr schnell lernen, was auch Syriza in Athen begriffen hat: Ohne eine Begrenzung der Staatsausgaben kann keine Regierung eine Schuldenkrise bewältigen. Doch dürften während dieses Lernprozesses Costas derzeitige Bündnispartner aussteigen. Das Land geht unruhigen Zeiten entgegen.

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