Neue Konkurrenz für Adidas, Nike und Co.:H&M steigt groß in den Sportbekleidungsmarkt ein

26. München Marathon, 2011

Ob sie künftig bei H&M einkaufen werden? "Jede Mücke sticht", glauben Branchenkenner. Der neue Mitbewerber könnte die arrivierten Konzerne durchaus schmerzen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das schwedische Bekleidungshaus H&M schmückt sich gern mit namhaften Gastdesignern. Kurz vor den Olympischen Spielen versucht sich das Unternehmen nun als Ausrüster für die Profisportler - und macht Nike, Puma und Adidas Konkurrenz.

Von Silke Bigalke, Stockholm, und Uwe Ritzer

Die Olympischen Winterspiele von Sotschi? Geschenkt, sagt Klaus Jost, zumindest was das kurzfristige Geschäft mit Sportartikeln angeht. "Niemand setzt sich in einem Langlaufanzug vor den Fernseher", sagt der Chef des weltgrößten Sportartikel-Handelsverbunds Intersport. "Bei einer Fußball-WM ist das ganz anders, da will der Fan sein Trikot anziehen, auch wenn er vom Wohnzimmersessel aus zuschaut." Profiteure davon sind vor allem die großen Ausrüster Nike, Adidas und Puma. Aus Imagegründen wollen sie auch in Sotschi Präsenz zeigen. Dort allerdings lauert in diesem Jahr ein neuer Konkurrent: H&M .

Die schwedische Textilhandelskette steigt in das Geschäft mit Wettkampfprodukten ein. Um zum Start richtig aufzufallen, stattet H&M das schwedische Olympia-Team in Sotschi aus. Bei der Eröffnungs- und der Schlussfeier, sowie bei einigen Wettkämpfen zum Beispiel im Curling und Eiskunstlauf werden die schwedischen Olympioniken die H&M-Kollektion tragen. Parallel bietet das Modehaus eine Olympia-Kollektion für Normalverbraucher an, die optisch an die Kleidung für die Athleten angelehnt ist.

Einige der Jacken und Shirts, die ab Mitte Januar zu kaufen sind, erinnern ein wenig an die Uniformen der Besatzung von Raumschiff Enterprise: Königsblau, gerade geschnitten und betont schlicht, nur mit Reißverschluss. Skandinavisches Design eben: minimalistisch, funktional, in großer Masse billig herstellbar - ganz im klassischen H&M-Stil also. Sportkleidung bietet H&M schon länger an, jetzt will es sich als Sport-Fashion-Label einen Namen machen. Olympia soll dabei helfen.

Das hinter der Abkürzung verborgene Unternehmen Hennes und Mauritz ist ein Riese, wenn es um günstige Alltagskleidung geht, vor allem für junges Publikum. H&M betreibt 3000 Filialen weltweit und erwirtschaftete 2013 etwa 17 Milliarden Euro Umsatz. Doch eine Wettkampf-Kollektion gab es noch nicht.

Dass Bekleidungsmarken ihr angestammtes Angebot um eine sportliche Produktlinie erweitern, ist nicht neu. Nachdem der schwer angeschlagene Sportartikelhersteller Puma in den 1990er und 2000er Jahren mit der Verbindung aus Sport und Mode eine rasante und höchst profitable Wiederauferstehung feierte, sprangen auch viele klassische Bekleidungsmarken auf den Trend auf.

Kaum einer davon wagte sich jedoch auch in klassisches Sportsponsoring vor, das bislang weitgehend den großen Sportartikelherstellern wie Nike, Adidas oder Puma vorbehalten war. H&M macht es ihnen nun beim schwedischen Olympia-Team nach. Der Vertrag läuft über vier Jahre und schließt auch die Ausrüstung für Sommerspiele ein.

Der Markt in Europa ist gesättigt, deshalb kann es nur um Verdrängung gehen

Aber können die Schweden damit Nike, Adidas und Co. wirklich gefährlich werden? "Das ist schon ernst zu nehmen, weil jede Mücke sticht", sagt Intersport-Chef Jost. H&M habe zudem genügend finanzielle Mittel, um den Einstieg in das Segment mit der notwendigen Vehemenz und Langfristigkeit anzugehen. Zumindest in Europa sieht Jost durchaus Chancen. Weil der Sportartikelmarkt hier, anders als etwa in Asien, weitgehend gesättigt sei, werde H&M "den bestehenden Herstellern Geschäft wegnehmen", sagt Jost. H&M dürfte dabei vor allem günstigen Eigenmarken Konkurrenz machen, wie sie etwa Intersport, Sport 2000 oder auch der Discounter Aldi anbieten.

Es werde stark auf die Optik der Kollektionen und deren Preis-Leistungsverhältnis ankommen, sagt ein Branchenexperte. Er sieht vor allem bei jungen Frauen, die bereits jetzt bei H&M einkaufen, Potenzial für die Marke. John Guy, Analyst der Berenberg Bank ist hingegen skeptisch. Es brauche viel Forschung und Entwicklung, um sportliche Kompetenz mit Mode zu verbinden, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Genau das versucht H&M allerdings.

Bislang kooperierten die Schweden regelmäßig mit Star-Designern wie Karl Lagerfeld, Isabel Marant oder Madonna, um ihren im Billigsegment angesiedelten Kollektionen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Nun holt man sich auch Rat bei Athleten wie der schwedischen Schwimmerin Therese Alshammar. "Es hat Spaß gemacht, sich in den Design-Prozess einzubringen", zitiert der Konzern die Schwimm-Weltmeisterin über 50 Meter Schmetterling. "H&M hat sehr eng mit den Sportlern zusammengearbeitet und viele verschiedene Stile ausprobiert", heißt es beim Nationalen Olympischen Komitee in Stockholm. "Wir hoffen, dass sie eine Menge von uns lernen konnten." Man habe schon lange nach einem schwedischen Unternehmen als Partner gesucht. Bisher hatte Li Ning aus China das Team ausgestattet.

Das Zittern bei Nike, Adidas und Co. ob der H&M-Konkurrenz hält sich in Grenzen. "Natürlich beobachten wir das genau und machen uns ständig Gedanken, wohin sich der Markt entwickeln wird", sagte ein Adidas-Sprecher. "Aber wir vertrauen auf die Stärke und Qualität unserer Sport-Performance-Produkte." Gerade erst hat Adidas seinen Ausrüstervertrag mit dem Deutschen Skiverband bis 2018 verlängert.

Das ist insofern kurios, weil Adidas schon lange kein klassischer Wintersportausrüster mehr ist. Die sichtbare Präsenz in Sotschi sei aber längerfristig wichtig, sagt Intersport-Chef Jost. Manch Zuschauer werde durch Olympia animiert, selbst wieder mehr Sport zu treiben. Der kaufe sich dann am nächsten Tag zwar keinen Rennanzug für Bobfahrer oder Rodler. Vielleicht aber Laufschuhe oder -trikots.

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