Neue Klage gegen McDonald's-Kaffee:Heiß und flüssig

Neue Klage gegen McDonald's-Kaffee: Dass Kaffee ein Heißgetränk ist, beweist auch diese Infrarot-Aufnahme eines Bechers von McDonald's

Dass Kaffee ein Heißgetränk ist, beweist auch diese Infrarot-Aufnahme eines Bechers von McDonald's

(Foto: Imago Stock&People)

Der Plastikdeckel sitzt nicht richtig auf dem Kaffeebecher, bei der Übergabe am Drive-in-Schalter ergießt sich das Heißgetränk auf die Kundin: Exakt 20 Jahre nach dem ersten spektakulären Schmerzensgeld-Prozess um McDonald's-Kaffee läuft nun eine neue Klage.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Würde man Murphys Gesetz mit Heißgetränken zu beschreiben versuchen, dann müsste man erklären, dass die Zeitspanne für perfekt temperierten Kaffee extrem kurz ist. Dagegen ist die Wahrscheinlichkeit, sich entweder die Zunge zu verbrennen oder eine kalte Plörre schlucken zu müssen, immens hoch. Paulette Carr aus Los Angeles ist der Meinung, dass es durchaus zum Verantwortungsbereich von Schnellrestaurants gehört, bei der Ausgabe des Getränks diesen kurzen Augenblick der wohligen Gradzahl zu erreichen und durch das sachgemäße Anbringen eines Deckels auf dem Becher das Herauskippen der womöglich doch zu heißen Flüssigkeit zu verhindern.

Weil es den Mitarbeitern einer McDonald's-Filiale auf dem Sepulveda Boulevard offensichtlich nicht gelungen ist, hat Carr das Unternehmen nun verklagt. Sie hatte am Drive-in-Schalter Kaffee bestellt. "Der Deckel für den heißen Kaffee war fahrlässig, leichtfertig und unsachgemäß auf dem Becher platziert worden, was dazu führte, dass er bei der Übergabe am Fenster herunterfiel. Deshalb wurde der heiße Kaffee auf die Klägerin geschüttet", heißt es in der Anklageschrift. Sie habe dadurch Verletzungen erlitten und deshalb Klage eingereicht. Ihre Anwältin Sheri Manning wollte sich bislang weder zur Schwere der Verletzungen noch zur Höhe der geforderten Summe äußern.

In den USA wird auch bei kleineren Unfällen jeder verklagt, der sich nicht rechtzeitig auf einen Baum retten kann - bisweilen wird auch jemand heruntergeschüttelt. Der Fall von Paulette Carr ist gerade deshalb besonders interessant, weil er exakt 20 Jahre nach einem der skurrilsten Schmerzensgeld-Prozesse in der Geschichte passiert. Auch damals ging es um McDonald's und heißen Kaffee.

Der "schnellste Weg zur ersten Million"

Stella Liebeck bekam im Jahr 1994 von einem Gericht in New Mexico zunächst 2,9 Millionen Dollar zugesprochen, weil sie Verbrennungen dritten Grades erlitten hatte, als sie auf dem Beifahrersitz versuchte, Milch und Zucker in den Becher zu kippen, den sie zwischen ihren Beinen platziert hatte. Dabei verschüttete sie Kaffee und verbrannte sich die Haut an den Oberschenkeln. Die Strafe wurde später zwar auf 640.000 Dollar reduziert, sorgte aber dennoch weltweit für Aufsehen. Jay Leno nannte das Urteil den "schnellsten Weg zur ersten Million", der Fall wurde in "Seinfeld" und anderen Fernsehserien parodiert, Anwälte nannten Liebeck einen "gierigen Raffzahn", die Klage "frivol" und forderten eine Änderung der Gesetze.

Bei dem Gerichtsverfahren kam jedoch heraus, dass McDonald's absichtlich sehr heißen Kaffee serviert, die Gefahren von Verbrennungen gekannt und die Kunden nicht ausreichend darüber informiert hatte. Dass es vor Liebecks Klage bereits 700 Fälle von Verbrennungen gegeben hatte, bei denen sich McDonald's außergerichtlich mit den Opfern geeinigt und die Verletzungen aufgrund der geringen Anzahl verglichen mit den Milliarden von verkauften Kaffees pro Jahr als irrelevant abgetan hatte. Das machte Liebeck nicht weniger gierig, erklärte jedoch, dass McDonald's keineswegs unschuldig war in diesem Fall. Seitdem ist auf Kaffeebechern in den USA ein Hinweis zu sehen, dass es sich bei Kaffee um ein heißes Getränk handelt.

Im aktuellen Fall geht es um die Deckel auf den Bechern und erneut um eine mindestens sechsstellige Summe. Carr möchte Geld für die medizinische Versorgung, den Verdienstausfall, den Ausfall möglicher künftiger Verdienste - und dazu noch ein Polster für künftige Behandlungen, die mit den Verbrennungen zu tun haben. McDonald's wollte sich bislang nicht zu dem Fall äußern, es ist jedoch zu erwarten, dass bald noch ein Schild auf den Bechern zu finden sein wird: So ein Deckel kann hin und wieder vom Becher fallen. Wer übrigens wissen möchte, wie klein die Spanne für perfekt temperierten Kaffee ist, dem sei die National Coffee Association of USA ans Herz gelegt. Die gibt es bereits seit 1911 - und sie empfiehlt, Kaffee bei einer Temperatur zwischen 180 und 185 Grad Fahrenheit (82 bis 85 Grad Celsius) zu servieren.

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