Neue EU-Kommissarin für Verbraucherschutz:Unabhängig, kompetent, eloquent

Meglena Kuneva wird ab dem 1. Januar 2007 neue Kommissarin für Verbraucherschutz - wenn das Parlament sie bestätigt. Ihre Prüfung vor dem Parlament hat sie bereits mit Bravour bestanden.

Ann-Kathrin Eckardt

Genau 24 Tage hat Meglena Kuneva Zeit gehabt, um sich auf die Prüfung vorzubereiten. 14 Stunden am Tag wälzte sie Akten, jede Stunde 100 Seiten. Am Ende spielte sie alles mit ihren engsten Mitarbeitern genau durch. Nichts wollte sie dem Zufall überlassen.

Neue EU-Kommissarin für Verbraucherschutz: Starker Auftritt: Meglena Kuneva ist für das Brüsseler Geschäft gut vorbereitet. Die promovierte Juristin gehört zur intellektuellen Elite des neuen EU-Mitgliedstaates Bulgarien.

Starker Auftritt: Meglena Kuneva ist für das Brüsseler Geschäft gut vorbereitet. Die promovierte Juristin gehört zur intellektuellen Elite des neuen EU-Mitgliedstaates Bulgarien.

(Foto: Foto: AFP)

Zehn Minuten zu früh betrat die 49-jährige Bulgarin am Montag im schlichten schwarzen Kostüm den Prüfungsraum, Saal 1A002 des Europäischen Parlaments in Brüssel. Am Revers die bulgarische Flagge, in der Hand ihre schwarze Aktentasche. Einmal lächeln für die Fotografen.

Dann setzte sie sich an ihren Tisch, holte die Akten hervor und legte die goldene Armbanduhr neben sich. Die ,,europäische Prüfung'' begann Punkt 16.30 Uhr.

Genau drei Stunden hatte die designierte Kommissarin für Verbraucherschutz Zeit, um das Vertrauen der Europaabgeordneten zu gewinnen, Frage um Frage: Warum sind Sie in die Politik gegangen? Wie wollen Sie die Verbraucher schützen? Droht beim Verbraucherschutz eine Spirale nach unten? ,,Thank you for your question'', bedankte sich Kuneva jedes Mal artig. Vier Minuten antworten. Lächeln. Nächste Frage.

Am Ende Applaus

Am Ende bekam die Eiserne Lady Bulgariens Applaus. Seit 2001 hat sie als Chefunterhändlerin für den EU-Beitritt ihres Landes gekämpft. Am Montag hat sie nun auch die letzte Prüfung mit Bravour bestanden.

In einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso schrieb die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Arlene McCarthy: ,,Frau Komissarsanwärterin ist kompetent und unabhängig. Sie erfüllt die Anforderungen voll.''

Voll des Lobes

Auch Parlamentspräsident Josep Borell war am nächsten Tag voll des Lobes und ließ verlauten, dass die neue Kommissarin keinen Zweifel an ihrer Kompetenz, Integrität und Unabhängigkeit gelassen habe.

Kuneva gehört zur intellektuellen Elite Bulgariens. Die promovierte Juristin hat in Sofia, an der Georgetown University in Washington D.C. und in Oxford studiert.

Sie spricht fließend Englisch und Russisch und trägt den Orden der französischen Ehrenlegion. In Bulgarien ist sie als ,,die Einserschülerin'' bekannt - und als Workaholic. Sogar bei Interviews soll sie gelegentlich Akten bearbeiten.

Gut in freier Rede

Bis 1990 arbeitete die Mutter eines Sohnes als Assistenzprofessorin für Umweltrecht und moderierte eine juristische Sendung für einen bulgarischen Nachrichtensender. ,,Dass ich gut frei sprechen kann, verdanke ich meiner Zeit beim Radio'', sagt Kuneva.

Unabhängig, kompetent, eloquent

Anfang der 90er Jahre wechselt sie ihren Job, berät von nun an die Regierung in Umweltfragen. Nebenbei feiert sie Erfolge als Drehbuchautorin: Ihr Dokumentarfilm ,,Stories of Murders'' erhält 1993 den bulgarischen Filmpreis.

In ihm begleitet Kuneva drei Menschen, die auf ihre Hinrichtung warten. Auf die Prüfungsfrage eines Abgeordneten, warum sie diesen Film gemacht habe, antwortet die Kommissarsanwärterin: ,,Ich habe mich immer für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt.''

In der "Zarenpartei" des früheren Königs

Und für Europa. Denn während ihr Ehemann, der Finanzexperte Andrei Prumov, lange der Kommunistischen Partei nahestand, gehört Kuneva zu den Gründungsmitgliedern der ,,Zarenpartei'' des früheren bulgarischen Königs Simeon II.

Im Juni 2001 gewann sie für die proeuropäische Partei einen Sitz im Parlament. Simeon II. von Sachsen-Coburg-Gotha wurde Premierminister. Nur zwei Monate nach der Wahl ernannte er die zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannte Frau überraschend zur Chefunterhändlerin mit der EU.

Jetzt galt es, die anderen EU-Staaten von Bulgarien zu überzeugen, kein leichter Job. Doch Kuneva kämpfte. Mit eisernem Willen. Mit vollem Einsatz. Mit sachlichen Argumenten. Und ihrem Charme.

Sprung in die Regierung

Ein Jahr später schaffte die zähe Verhandlerin den Sprung in die Regierung und wurde Europaministerin. Als bei den Parlamentswahlen 2005 die Sozialisten an die Macht kamen, blieb Kuneva als eine der wenigen im Amt.

Doch nicht nur die EU-Mitglieder hat Kuneva überzeugt. Auch beim eigenen Volk musste sie für den Beitritt werben. Heute hat ,,Megi'', wie die Bulgaren sie liebevoll nennen, rund 70 Prozent des Volkes auf ihrer Seite.

Sollte ihre Kandidatur vom Europäischen Parlament am 12. Dezember angenommen werden - und das gilt als sicher -, hat Kuneva angekündigt, die Mitgliedschaft im Parteivorstand der ,,Zarenpartei'' aufzugeben. ,,Ich will jeglichen Interessenskonflikten aus dem Weg gehen.''

"Jetzt hat sie immer eine gute Ausrede"

Bei einem Interessenskonflikt ganz anderer Art könnte das neue Amt ihr allerdings behilflich sein. Ihre Nominierung zur Kommissarsanwärterin kommentierte ein Freund in der bulgarischen Presse mit den Worten: ,,Jetzt hat sie immer eine gute Ausrede, um nicht mit ihrem Mann Fischen gehen zu müssen.''

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