Neue Bezahlformen:"Haben Sie eine Kundenkarte?"

Bargeld

Nur Bares ist Wahres? Zumindest ist es schön anonym, und die Deutschen lieben es.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Deutschen tun es weiterhin am liebsten mit Bargeld. Ein Supermarkt ohne Kasse, wie Amazon ihn diese Woche in einem Werbe-Video vorführte, ist für dieses Land noch eine ferne Zukunftsvision.

Von Michael Kläsgen

Die Deutschen tun es weiterhin am liebsten mit Bargeld. Und das setzt im Supermarkt und Kaufhaus eine Kasse und damit auch eine Kassiererin oder einen Kassierer voraus. Ein Supermarkt ohne Kasse, wie Amazon ihn diese Woche in einem Werbe-Video vorführte - daran wird zwar auch in Deutschland getüftelt. Er ist für dieses Land aber noch eine ferne Zukunftsvision.

Die Deutschen sind da schlicht ein wenig anders als andere, zum Beispiel als die Schweden, die kaum mehr etwas bar zahlen, sondern ihre Karte zücken, auch für Kleinstbeträge. Amazon Go scheint deswegen eher etwas für all jene zu sein, die sich um Datenschutz weniger Gedanken machen als die Menschen hierzulande. Vorausgesetzt, die Technik gibt es tatsächlich her, dass der Kunde einfach in den Supermarkt hineinläuft, mit der Ware wieder herausspaziert und beim Verlassen des Ladens per App bezahlt. Die Technik muss das einerseits ermöglichen. In Deutschland müsste der Gesetzgeber aber auch dafür sorgen, dass die Technik überhaupt anwendbar ist. Stichwort: Wlan-Störerhaftung. Was nichts anderes bedeutet, als dass man im Laden überhaupt Internetempfang haben muss, sonst hilft die beste App nichts.

Wie die Zukunft des Bezahlens aussieht, kann deswegen niemand generell beantworten, nicht mal für jedes einzelne Land. Jeder wird das in Deutschland individuell so machen können, wie er es will und bisher getan hat - und das ist auch die beste Lösung. Schon heute hat jeder die Wahl zwischen mehreren Alternativen. Dazu gehören Bargeld, EC-Karte, Kreditkarte, mobiles Bezahlen per Smartphone, selbst Scannen mit anschließendem Zahlen und das Internet.

Bei all den Möglichkeiten fällt aber auf, dass die Skepsis gegenüber den neuen technischen Möglichkeiten in Deutschland größer ist als anderswo. Beispiel Kreditkarte: Diese gibt es zwar seit mehreren Jahrzehnten, aber als Zahlungsmittel für die breite Masse hat sie sich bis heute nicht durchgesetzt. Desgleichen ist es seit vielen Jahren möglich, die Ware mithilfe des Barcodes selbst zu scannen und dann etwa per Karte zu zahlen. Trotzdem tut das kaum einer. Außer vielleicht bei Ikea. Das Einrichtungshaus stellt den Kunden seit 2008 so viele Scanner zur Verfügung wie sonst kein anderer Händler. Die Diebstähle sind seither nicht signifikant gestiegen, was auch an der Größe der Produkte liegt. Für Lebensmittelhändler oder Drogeriemärkte sind Selbstscanner hingegen eher nichts. Kleine, teure Produkte lassen sich leichter klauen. Aber wenn nicht mal das Selbstscannen funktioniert, wie realistisch ist dann der kassenlose Laden?

Die Deutschen sind auch zögerlicher als andere beim Online-Einkauf von Lebensmitteln. Während die Briten dafür pro Kopf im Schnitt jährlich einen vierstelligen Betrag ausgeben, kommen die Deutschen nicht mal auf 20 Euro - trotz der gleichen Voraussetzungen. Anbieter gäbe es genug.

Auch das Bezahlen per Smartphone kommt bei den Deutschen nicht an. Viele Banken und zuletzt die Deutsche Telekom haben es aufgegeben, in die Technik zu investieren. Denn wozu das viele Geld ausgeben, wenn nicht so viele Menschen die Technik nutzen wollen, dass sich deren Entwicklung lohnt? Selbst die groß angelegte Mobile-Payment-Offensive der großen (und beliebten) Ketten dm, Rewe, Real, Kaufhof und weiteren zündete nicht. Dabei gilt das Zahlen per Handy als der nächste technische Schritt - noch vor dem kassenlosen Supermarkt.

Die grundsätzliche Skepsis der Deutschen hat bei aller Kritik gute Gründe und ist ein Zeichen für Mündigkeit. Sie wollen ihre Daten nicht unreflektiert Händlern überlassen und setzen auf Sicherheit. Am ehesten ist das beim Zahlen mit Bargeld gewährleistet. So hinterlässt man keine Spuren. Nur: Modern wirkt das nicht.

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