Nestlé:Kniefall vor dem Investor

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Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern startet ein gigantisches Aktien-Rückkauf-Programm - wie vom kämpferischen Miteigner Third Point gefordert. Dessen Ziel ist es, den Aktienkurs möglichst schnell zu erhöhen.

Von Charlotte Theile, Zürich

Investoren wie der US-Amerikaner Daniel Loeb sind bei Unternehmen gefürchtet. Wenn er die Aktien eines Konzerns erwirbt, begnügt er sich nicht damit, ihren Kurs zu verfolgen und je nach Performance zu kaufen oder zu verkaufen. Als aktivistischer Investor will Loeb die strategischen Entscheidungen des Managements beeinflussen. Das hat vor Kurzem auch eines der größten Unternehmen der Welt erfahren - der Schweizer Lebensmittelhersteller Nestlé. Mit mehr als 300 000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 80 Milliarden Euro ist Nestlé der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern, finanzkräftiger und mächtiger als manche Staaten.

Doch Daniel Loeb, der 1995 die Finanzfirma Third Point gründete, hat es geschafft, Nestlé unter Druck zu setzen. Vor einigen Tagen forderte Loeb in einem offenen Brief weitreichende strategische Veränderungen von den Schweizern: Der Nahrungsmittelkonzern solle Aktien zurückkaufen, die seit 1974 bestehende Beteiligung an L'Oréal veräußern und den Aktionären, zu denen Third Point seit wenigen Tagen auch gehört, mehr ausschütten. Das Schweizer Radio SRF fasst es so zusammen: "Loeb fordert mehr Geld für Investoren, Investoren wie Loeb." Third Point ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Hegdefonds. Das Vorgehen bei Nestlé, wo Third Point mit gut drei Milliarden Euro beteiligt ist und einen Anteil von etwa 1,3 Prozent besitzt, hat Loeb schon einige Male erprobt: Er erwirbt Aktienpakete und setzt das Management dann mit Vorschlägen unter Druck, die zu einer schnellen Erhöhung des Kurses führen sollen. So war es in der Vergangenheit bei Yahoo oder Sony - Loeb kaufte sich ein, stellte Forderungen und stieg wenige Jahre später mit gewaltigen Gewinnen aus. Doch kein Engagement war bisher so groß wie jenes bei Nestlé, wo Third Point der achtgrößte Aktionär ist.

Im westschweizerischen Vevey hat Nestlé seinen Firmensitz. Nun schafft sich der Nahrungsmittelkonzern die Möglichkeit, größere Zukäufe mit eigenen Mitteln zu bestreiten. (Foto: Denis Balibouse/Reuters)

Im westschweizerischen Vevey, wo Nestlé seinen Sitz hat, ist man erstaunlich schnell auf die Forderungen aus den USA eingegangen. Am Dienstagabend wurde bekannt, dass Nestlé, wie von Loeb vorgeschlagen, ein gigantisches Aktien-Rückkauf-Programm starten will. 20 Milliarden Franken, umgerechnet gut 18 Milliarden Euro, will das Unternehmen in den kommenden Jahren dafür aufwenden. Der Rückkauf soll bereits am 4. Juli beginnen und im Jahr 2020 abgeschlossen sein. Nestlé schafft sich damit die Möglichkeit, größere Zukäufe mit eigenen Mitteln zu bestreiten. Grundlage dieses Schrittes sei eine Analyse, die das Unternehmen bereits Anfang des Jahres begonnen habe - so zumindest die Mitteilung des Konzerns.

Doch nicht wenige begreifen diese Ankündigung als direkte Reaktion auf die Forderungen des Hegdefonds, beziehungsweise: als Kniefall vor dem Investor Daniel Loeb. Die Schweizer Handelszeitung schrieb von einem "20 Milliarden Bückling", den das größte Industrieunternehmen des Landes unternommen habe. Auch die Leser des Blattes Cash sehen den Schritt kritisch, fürchten, Loeb könne Nestlé "ausweiden" - und überhaupt, nur wegen eines Einprozentaktionärs solle man nicht unruhig werden.

Für viele Aktionäre ist der Konzern einfach zu langsam

Das Rückkaufprogramm zieht weitere Fragen nach sich: So muss Ulf Mark Schneider, der seinen Job als CEO erst 2017 angetreten hatte, die Frage beantworten, wie er mit der milliardenschweren Beteiligung an dem französischen Kosmetikunternehmen L'Oréal verfahren will. Daniel Loeb hatte die Beteiligung in seinem offenen Brief als "nicht strategisch" bezeichnet. Die Shareholder des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns sollten frei sein, zu entscheiden, ob sie in Nestlé- oder in L'Oréal-Aktien investieren wollen.

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg (Foto: SZ-Grafik)

Nestlé hat in den vergangenen Jahren sein Ziel, fünf bis sechs Prozent organisches Wachstum zu generieren, verfehlt. Grund dafür waren nach Angaben des Unternehmens Wirtschaftskrisen, die es unmöglich machten, wie geplant die Preise zu erhöhen. US-Investor Loeb will das nicht gelten lassen. Auch vielen Aktionären gilt der Konzern als langsam und wenig innovationsfreudig. Der deutsche CEO Schneider, der zuvor den hessischen Medizintechniker Fresenius leitete, bekommt von Loeb einige Ratschläge: Schneider brauche einen entschlossenen und mutigen "action plan", der die biedere Unternehmenskultur des Konzerns angeht.

Schneider, der für viele für eine Transformation zu einem Gesundheitskonzern steht, sprach bei seinem Antritt von Kontinuität und organischem Wachstum. Doch schon damals war Schneiders Handschrift zu erkennen - er setzt auf gesunde Produkte, und Sparten mit hohem Wachstumspotenzial, etwa Tiernahrung. Anderes passt weniger zur Konzernstrategie. Mitte Juni kündigte Nestlé an, den Verkauf des traditionsreichen amerikanischen Süßwarengeschäftes zu prüfen. Mit dem Einfluss von Daniel Loeb im Hintergrund dürfte dieser Umbau nun noch deutlich schneller gehen.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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