Nervosität vor Referendum in der Ukraine:Börsen im Krim-Schock

Börse in Frankfurt

Absturz für den Dax: An der Börse in Frankfurt steigt die Nervosität vor dem Krim-Referendum.

(Foto: REUTERS)

Schlechte Woche für Aktienbesitzer: Der Dax hat deutlich verloren und rutscht zeitweise unter die 9000-Punkte-Marke. Nachdem die Märkte die Krise in der Ukraine zunächst gelassen nahmen, steigt kurz vor der Volksabstimmung auf der Krim die Nervosität. Richtig spannend wird es dann am Montag.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Eine solch schlechte Woche hat es an der deutschen Börse lange nicht gegeben: Mehr als vier Prozent büßte der Deutsche Aktienindex (Dax) von Montag bis Freitag ein, so viel wie seit Juni 2012 nicht mehr binnen einer Woche. Am Freitag rutschte das Börsenbarometer zudem erstmals seit Dezember 2013 zeitweise unter die Marke von 9000 Punkten. Vor kurzem diskutierten die Experten noch darüber, wann der Index die 10 000-Punkte-Marke erreicht. Nun aber geht es vor allem um die Frage, wie tief er noch sinkt.

"Die Nervosität an den Märkten ist immens hoch", sagt Marktanalyst Christian Henke vom Broker IG. Es gibt dafür einen alles überragenden Grund: Die Unsicherheiten in der Krim-Krise halten die Börsen in Atem. "Bisher nahmen die Investoren die Ereignisse vergleichsweise gelassen hin, doch nun kommen Zweifel auf, ob bei den Konfliktparteien tatsächlich die ökonomische Vernunft siegt", sagt Markus Reinwand, Aktienstratege bei der Helaba.

Voller Sorge blicken die Börsianer auf das Referendum, mit dem die Bevölkerung auf der Krim an diesem Sonntag entscheidet, ob sie sich Russland anschließen will. Zuletzt sah es danach aus. Der Westen hält das Referendum für völkerrechtswidrig und droht mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Freitag: "Wir wollen Lösungen über Gespräche, und die Tür dazu steht weiterhin offen". Es müsse allerdings auch Sanktionen geben können, "wenn nicht anders möglich".

Die Unsicherheit der Krim-Krise ist Gift für die Börsen

Russlands Präsident Wladimir Putin will nicht auf die Krim verzichten, der Westen will es verhindern. Derzeit ist nicht erkennbar, wie beide Seiten gesichtswahrend aus dem Konflikt herauskommen. Eine solche Unsicherheit ist Gift für die Börsen. Am stärksten wirkt sie sich in Russland aus: Der Aktienindex RTS verlor allein im März fast 20 Prozent. "Die Leute geraten in Panik wegen möglicher Sanktionen und internationaler Isolierung. Wer braucht diese Aktien dann?", fragte ein Händler einer westlichen Bank in Moskau.

Von den westeuropäischen Börsen verlor der Dax seit Ausbruch der Krim-Krise am meisten an Wert. Die deutsche Wirtschaft wäre bei einer Zuspitzung des Konflikts am stärksten betroffen. "Wenn russische Gaslieferungen ausbleiben, wird die Energiewende in Deutschland viel teurer, außerdem ist Russland ein wichtiger Absatzmarkt für Konzerne wie BASF und Adidas", sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel warnte, eine weitere Zuspitzung könne "schnell zu einer Eintrübung der Weltwirtschaft führen".

Sollte das Referendum pro Russland ausfallen, ist die entscheidende Frage, wie weit der Westen mit den Sanktionen geht. "Es ist fast ausgeschlossen, dass Putin noch zurückweicht, er will die Krim und eine russlandfreundliche Ukraine, fertig", sagt Ökonom Halver. Um selbst nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren, müsste die EU dann ein deutliches Signal setzen und den Handel beschränken. Daraus könnte eine Spirale aus Sanktionen und Gegensanktionen entstehen. "Das wird dem ein oder anderen deutschen Unternehmen weh tun", prophezeit Tobias Basse, Aktienstratege bei der NordLB.

Nicht viel Luft nach oben für Aktien

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass sich der Westen auf politische Sanktionen beschränkt, zum Beispiel Einreiserestriktionen. Das hält Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka-Bank, für wahrscheinlicher als eine wirtschaftliche Eskalation. Er erwartet aber in jedem Fall, dass die Lage an den Börsen unsicher bleibt, bis sich die Lage geklärt hat; das könne zwei Wochen dauern. Baader-Experte Halver befürchtet, dass der Montag nach dem Referendum "einer der volatilsten Tage des Jahres" werden könnte, also ein Tag mit großer Nervosität und starken Kursschwankungen.

Der Krim-Konflikt ist zwar der Hauptgrund für die derzeitige Unsicherheit an den Börsen, aber nicht der einzige: In der vergangenen Woche beschäftigten die Investoren auch schwache Zahlen von Chinas Wirtschaft; sie werfen die Frage auf, wie weit die Schwellenländer noch in der Lage sind, die Weltwirtschaft anzukurbeln. Auch die Konjunkturdaten aus Europa hielten zuletzt nicht, was man sich noch vor Monaten von ihnen versprochen hatte.

Helaba-Analyst Reinwand ist überzeugt, dass Aktien derzeit "ein fundamentales Problem" haben. Das bedeutet, dass die Krim-Krise nur Auslöser für die Verkäufe ist. Dahinter steckt, dass die Kurse seit 2012 stark gestiegen sind und die Bewertung hoch ist, während die Gewinne der Unternehmen nicht nachkommen. Es gibt derzeit nicht viel Luft nach oben für Aktien.

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