Negativzinsen:Schleichendes Gift

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Bankenstadt Frankfurt am Main, Blick auf die Spitze des Westend Tower, dem Volksbank-Hochhaus. (Foto: SZ)

Volksbanken und Sparkassen müssen mit steigenden Kosten für überschüssiges Geld rechnen. Das werden auch die Kunden merken.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Der Negativzins frisst sich langsam aber sicher in immer weitere Bereiche der Finanzwelt hinein. Wer Deutschland für zehn Jahre Geld leiht, muss inzwischen draufzahlen; wer sehr große Summen zur Bank bringt, ebenso. Auch die Volksbanken und Sparkassen bekommen die Negativzinsen jetzt mit voller Wucht zu spüren - und mit ihnen dann wohl deren Privat- und Firmenkunden.

Ab August müssen die rund tausend Volks- und Raiffeisenbanken einen Negativzins zahlen, wenn sie Geld bei der DZ Bank lagern, ihrem dann frisch fusionierten Spitzeninstitut. Ähnlich ergeht es den 416 deutschen Sparkassen, wenn sie sich an ihre jeweilige Landesbank wenden.

Seitdem die EZB Negativzinsen erhebe, habe man die Volksbanken davor bewahrt, Negativzinsen zu zahlen, sagte Hans-Bernd Wolberg, Chef der Düsseldorfer WGZ Bank, der Nachrichtenagentur dpa. "Wir sind jetzt gemeinsam zu der Auffassung gelangt, dass wir das so nicht länger durchhalten können, ohne unsere eigene Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu ramponieren", sagte Wolberg. Zum 1. August schließen sich die DZ Bank und die WGZ zum neuen genossenschaftlichen Zentralinstitut zusammen. Gegenüber den Volksbanken beziehungsweise Sparkassen spielen die DZ Bank oder die Landesbanken eine ähnliche Rolle wie eine Zentralbank.

Noch scheuen Banken Strafzinsen für Privatanleger - aus Furcht, dass sie die Bank wechseln

Bislang hatten diese Zentralinstitute die Last für die kleinen Banken noch abgefedert. Die Phase der Negativzinsen wächst sich jedoch langsam aus: Bereits seit Juni 2014 verlangt die Europäische Zentralbank (EZB) von Banken einen negativen Zins auf kurzfristig geparkte Einlagen, erhöhte ihn zuletzt sogar auf 0,4 Prozent. Die EZB will damit alle Unternehmen und Banken bestrafen, die ihr Geld lieber bunkern, statt es im Wirtschaftskreislauf einzusetzen. Freuten sich die Banken früher darüber, wenn Kunden ihnen große Geldbeträge anvertrauten, reagieren sie seither abweisend. Wenn sie nämlich nicht sofort einen passenden Kreditkunden haben, an den sie das Geld verleihen können, müssen sie es bei der EZB deponieren. Bei einer Einlage von einer Million Euro kostet das 4000 Euro im Jahr.

Abgesehen vom eigenen - aber zumeist teuren, weil unsicheren - Tresor gibt es für viele Kreditinstitute nun kaum noch Entrinnen vor dem Negativzins. Gerade regionale Banken und Sparkassen nehmen oft sehr viel mehr Spareinlagen an, als sie im klassischen Kreditgeschäft verteilen können. Vor allem in strukturschwachen Regionen ist das so. Bei den Sparkassen zum Beispiel summiert sich dieser so genannte Einlagenüberhang auf fast 100 Milliarden Euro. Früher brachte das den Instituten jährlich automatisch etwa vier Milliarden Euro Ertrag. Heute hingegen kostet sie das grob geschätzt viele hundert Millionen Euro. Aber selbst wenn die hiesigen Unternehmen auf einmal sehr viel mehr Kredite nachfragen würden: Dafür müssten die Banken dann kostbares Eigenkapital vorhalten. Bringen sie ihr Geld hingegen zu ihrer eigenen Zentralbank, müssen sie dafür laut dem so genannten Verbundprivileg gar kein Eigenkapital zurücklegen.

Kein Wunder also, dass die Zentralinstitute zuletzt regelrecht überschwemmt worden sein müssen mit überschüssigem Geld. Wie viel sie das genau gekostet hat, will keine Bank verraten, auch nicht, wie hoch die Strafzinsen jetzt ausfallen werden, aber auch die Landesbanken bereiten sich nun vor oder erheben sie bereits. Die Landesbank Hessen Thüringen etwa, nimmt für "kurzfristige Geldanlagen von Sparkassen und institutionellen Kunden einen Negativzins, zumindest wenn sie über die "in normalen Zeiten gehaltene Liquidität hinausgehen". Bei der Nord-LB heißt es, man befinde sich in der "technischen Umsetzung", Strafzinsen zu nehmen und orientiere sich am "Einlagen-Zins der EZB". Auch die BayernLB erwägt einen Negativzins für die bayerischen Sparkassen.

Für Privatkunden sind das beunruhigende Nachrichten. Denn die Institute werden versuchen, die Strafzinsen über steigende Gebühren für das Girokonto weiterzugeben - in der Hoffnung, dass die Kunden nicht scharenweise zur günstigen Direktbank-Konkurrenz abwandern. Strafzinsen müssen Privatkunden bislang zwar noch keine bezahlen. Noch ist das für die meisten Banken ein Tabu, aus Angst, dass dann zu viele Kunden auf einmal ihr Geld abziehen und der Bank gleich ganz den Rücken kehren. Vielleicht aber ist auch das irgendwann eine Frage der Gewöhnung.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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