Naturkosmetik:Naturkosmetik - nicht mehr öko, sondern Mainstream

Haut

Naturkosmetik wird - gerade bei jungen Kunden - immer beliebter.

(Foto: ina.mija / photocase.com)

Sogar das Modelabel H&M bietet pflanzliche Lippenstifte an. Eine Altersgruppe ist für die Branche besonders wichtig.

Von Sophie Burfeind

Mit einem Glasdöschen im Jutebeutel spazierte sie in den Bio-Laden und ließ sich die Creme nachfüllen. Am Abend demonstrierte sie vielleicht noch gegen Kapitalismus und Atomkraft. Nicht ganz unwahrscheinlich war, dass sie all das in Birkenstock-Sandalen tat. Ungefähr so sah das Klischee von der Frau aus, die vor 30 Jahren Naturkosmetik kaufte.

Heute machen Supermodels Werbung für Naturkosmetik. Miranda Kerr aus Australien zum Beispiel: Dazu räkelt sie sich nur mit einem Höschen bekleidet am Strand. Das sagt eigentlich schon alles. Naturkosmetik ist schon lange nicht mehr die Sache von Ökos und Idealisten, sondern Mainstream. "Green Glamour" ist so sexy wie nie zuvor. Wer im Trend liegen will, kauft Naturkosmetik.

Seit zehn Jahren boomt für Naturkosmetik der Markt in Deutschland. Im vergangenen Jahr wuchs er um zehn Prozent, der konventionelle Kosmetikhandel dagegen nur um 2,4 Prozent. Die Zahlen gaben die Unternehmen zum Auftakt der Naturkosmetikmesse Vivaness in Nürnberg (bis 13.2.) bekannt. In Deutschland sind die Firmen weltweit am stärksten vertreten, ihr Marktanteil liegt mittlerweile bei 8,3 Prozent, ihr Umsatz überstieg 2015 die Grenze von einer Milliarde Euro, fast doppelt so viel wie vor acht Jahren. Diese Zahlen hat das Unternehmen Naturkosmetik Konzepte erhoben. Wie kam das?

Am Anfang durften die Produkte noch fettig sein, die Käuferin war konsumkritisch

Miterlebt hat man den Wandel in der Nähe von Hannover, in der Firma Laverana. Thomas Haase gründete 1987 das Naturkosmetikunternehmen, dessen Produkte unter dem Namen Lavera bekannt sind. Nach Weleda ist es das umsatzstärkste Unternehmen auf dem deutschen Naturkosmetikmarkt.

"Die Gründung unseres Unternehmens fällt in die Zeit, als die ersten Bio-Läden in Deutschland entstanden", sagt Sabine Kästner von Laverana. Damals, erzählt sie, musste Naturkosmetik nicht perfekt sein, sie durfte sogar fettig sein. Denn der typischen Käuferin ging es vor allem um Konsumkritik. In den folgenden zehn Jahren verschwanden die nachfüllbaren Gläschen und Tiegel nach und nach aus den Geschäften, Naturkosmetik wurde in ansprechende Verpackungen abgefüllt und für den Bio-Fachhandel immer wichtiger. "Es war Anfang 2000", sagt Kästner, "als es soweit war, dass Naturkosmetik genauso gut und wirksam sein sollte wie ein herkömmliches Kosmetikprodukt".

Die Firmen investierten viel Geld in die Forschung

Die Bio-Creme sollte jetzt genauso schnell einziehen wie eine normale Creme und die Naturkosmetikfirmen erweiterten ihr Sortiment. Neben Shampoo und Duschgel, standen bald auch Make-Up und Selbstbräuner in den Regalen. Von 2004 an waren die Produkte immer öfter auch in Drogerie- und Supermärkten zu haben. Die sind für die Naturkosmetikfirmen mittlerweile der wichtigste Absatzkanal. Zeitgleich entstanden die ersten pflanzlichen Anti-Aging-Produkte, sagt die Managerin. "Es ging immer stärker um die Wirksamkeit der Produkte."

Die Firmen steckten viel Geld in Forschung, um neue Stoffe zu entwickeln, aus Pflanzen werden jetzt komplexe Verbindungen aus Proteinen oder Enzymen gewonnen - Olivenöl und Sheabutter ist nicht mehr alles. "Der Naturkosmetik ist es gelungen, ihr Image zu entstauben", findet Kästner. Das sehe man auch an den Käufern: Die Zielgruppe sei jünger und älter geworden, Naturkosmetik kauften nun 18- bis 65-Jährige. Und eben nicht mehr nur jene Menschen, die nur in den Bio-Laden gehen.

Nicht alles, was Naturkosmetik heißt, ist es auch

Auch Elfriede Dambacher, Branchenexpertin vom Naturkosmetik Verlag, beobachtet, dass Naturkosmetik seit Jahren salonfähiger wird und in allen Schichten der Gesellschaft ankommt. Der "absolute Treiber im Markt" aber, sagt sie, sei die "Generation Y" - also die heute 15- bis 35-Jährigen. Für diese Gruppe sei ein werteorientierter Konsum besonders wichtig. "Je komplexer die Außenwelt wird, desto mehr konzentrieren sie sich auf einen ethisch korrekten Konsum."

Das zeigt sich auch daran, dass die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln, veganen oder regionalen Produkten steigt. Dass immer mehr Menschen zu rein pflanzlichen Lippenstiften oder Wimperntuschen greifen, liegt auch daran, dass sie oft günstig zu haben sind. Das Problem aber ist: Nicht alles, was sich als Naturkosmetik ausgibt, ist das auch.

"Es gibt kein einheitliches EU-Siegel wie bei Bio", sagt Elfriede Dambacher. Allerdings könne der Verbraucher anhand von verschiedenen Zertifikaten (siehe Kasten) auf der Verpackung nachprüfen, wie nachhaltig und natürlich das Produkt wirklich ist. Grundsätzlich bedeutet zertifizierte Naturkosmetik: keine Erdölprodukte wie Silikone oder Paraffine, genauso wenig wie Bestandteile von toten Wirbeltieren wie Nerzöle oder Murmeltierfette.

Die Naturkosmetik-Produkte großer Konzerne kommen nicht gut an

Außerdem sind Tierversuche verboten; nicht aber tierische Produkte wie Milch und Honig. Naturkosmetik ist also nicht automatisch vegan. Nicht zu verwechseln sei das mit naturnaher Kosmetik, sagt die Expertin. Bei der sind nur viele Wirkstoffe pflanzlich.

Weil der Naturkosmetikmarkt boomt, verwundert es nicht, dass sich auch Konzerne wie L'Oréal oder Henkel in dieser Nische versucht haben. Die Produkte seien aber nicht gut angekommen, sagt Dambacher. "Das finden viele Kunden nicht glaubwürdig." Die Expertin glaubt daher nicht, dass die großen Konzerne den kleinen Naturkosmetikfirmen bald Konkurrenz machen könnten. Sabine Kästner findet es gut, wie die konventionelle Kosmetikindustrie teilweise versucht, grüner zu werden. Davon profitiere der Verbraucher ja.

Dass Naturkosmetik bei allen angekommen ist, sieht man nicht nur daran, dass sie von Models am Strand oder im Fernsehen beworben wird. Seit Februar bietet auch die Modekette H&M eigene Naturkosmetik an - mehr Mainstream geht nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: