Nahaufnahme:Zwei Mal um die Welt

Nahaufnahme: "Unser Geschäftsmodell ist gar nicht kompliziert. Es heißt: wachsen." Alex Liu.

"Unser Geschäftsmodell ist gar nicht kompliziert. Es heißt: wachsen." Alex Liu.

(Foto: A. T. Kearney)

Alex Liu, neuer Chef der Beraterfirma AT Kearney, ist ständig auf Achse. Das muss er auch, wenn er seine Strategie verfolgen will, und die heißt schlicht: wachsen.

Von Caspar Busse

Auf einmal flüchtet sich Alex Liu ins Allgemeine - wenn die Sprache auf US-Präsident Donald Trump und dessen Politik der wirtschaftlichen Abschottung kommt. "Ich bin Optimist und ich glaube an den fairen Handel und an eine multilaterale Welt", sagt er dann diplomatisch und versucht, die unangenehmen Fragen wegzulächeln. Das Thema ist ihm unangenehm, zu einer ausdrücklichen Kritik an Trump lässt er sich nicht hinreißen. Alex Liu, 60, ist der neue Weltchef der amerikanischen Unternehmensberatung AT Kearney, die etwa 360 Partner haben ihn vor wenigen Wochen zum Chairman gewählt. Jetzt repräsentiert er die Firma nach außen. Kritik an den USA und der Regierung Trump wird ihm nun öfter auf seinen Reisen durch die Welt begegnen.

AT Kearney, 1926 in Chicago gegründet, hat weltweit 3600 Mitarbeiter in etwa 50 Büros, berät viele der ganz großen Konzerne, aber auch Mittelständler. Liu hält es für einen Vorteil, dass sein Unternehmen nicht in der allerersten Reihe der internationalen Beratungsfirmen steht und auch nicht so bekannt ist wie McKinsey, die Boston Consulting Group oder Accenture. "Wir haben einen unprätentiösen Arbeitsstil und sind weniger arrogant", sagt er. Genau das bevorzugten viele Kunden. Man berate eben nicht abgehoben, sondern wolle etwas bewirken. Die Kunden stünden im Mittelpunkt. Ein Seitenhieb auf die großen Strategieberatungen, die nach Ansicht ihrer Kritiker teuer sind und allzu oft nur unverbindliche Ratschläge und Konzepte lieferten.

Liu wurde in Taiwan geboren, als Kleinkind kam er mit seinen Eltern in die USA. Sein Vater war Professor an einer Hochschule. Liu besuchte später die renommierten Universitäten von Harvard und Yale. Danach heuerte er 1985 als Berater an, zunächst bei der Boston Consulting Group, die ihn wenig später nach Hongkong sandte, um von dort aus das Geschäft in China aufzubauen. Schon damals habe er eine ganze Reihe von deutschen Unternehmen beraten, erzählt er. Liu ist mit Chinesisch als Muttersprache aufgewachsen, doch er hat viel verlernt. Als Tourist komme er in China noch gut durch, sagt er, Verhandlungen führe er aber auf Englisch.

1997 wechselte er zu AT Kearney und spezialisierte sich auf Telekommunikations-, Medien- und Technologiefirmen. Im Jahr 2000 nahm er eine Auszeit, um eine eigene Firma in Kalifornien zu gründen, die sich mit Internettelefonie beschäftigte, dann aber nach einem kurzen Höhenflug und dem Platzen der Internetblase pleite ging. Er wisse nicht, ob er mit seiner Idee zu früh oder zu spät dran gewesen war, sagt Liu mit einem Schmunzeln, auf jeden Fall habe er das "falsche Zeitfenster" erwischt. Er kehrte damals zu AT Kearney zurück. Bei aller Enttäuschung sei der Ausflug in das Unternehmertum eine gute Erfahrung gewesen, sagt Liu heute. Denn er wisse nun, wie Unternehmer dächten und welche Probleme diese beschäftigten.

Liu wohnt privat in der Nähe von San Diego im Süden Kaliforniens, der schönste Ort der Welt, wie er sagt. Sein Büro ist in San Francisco. Aber eigentlich ist er ständig in der Welt unterwegs. "Mein Zuhause ist da, wo meine Unterwäsche ist", sagt er und grinst. Er fliege bis zu zwei Mal um die Welt - und zwar jeden Monat. Er besucht die AT-Kearney-Büros, Kunden aus Wirtschaft und Verwaltung. Er verhandelt, motiviert, knüpft Kontakte.

Jetzt muss Liu das Geschäft der Beratungsfirma weiter ankurbeln und dafür die richtigen Mitarbeiter finden. "Unser Geschäftsmodell ist gar nicht kompliziert. Es heißt: wachsen", sagt er. Im Visier hat er dabei auch Deutschland. Denn die deutsche Wirtschaft lebe in goldenen Zeiten und habe große Chancen, schwärmt Liu - Trump hin oder her.

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