Nahaufnahme:Walmart macht mächtig

Nahaufnahme: "Bislang war so ziemlich alles Amazon, aber da gibt es noch eine Chance." Marc Lore

"Bislang war so ziemlich alles Amazon, aber da gibt es noch eine Chance." Marc Lore

(Foto: AP)

Marc Lore wollte den Konkurrenten und Amazon-Chef Jeff Bezos immer einholen. Bisher vergeblich. Jetzt hat der Jet-Gründer eine neue Chance, gegen ihn anzutreten.

Von Kathrin Werner

Als Marc Lore seinen Widersacher zum ersten Mal traf, war es eigentlich als freundlicher Scherz gemeint: "Ich hoffe, dass ich dir einen guten Wettkampf liefern werde", sagte er zu Jeff Bezos, dem Chef von Amazon. Es war ein harmloser Ort, an dem die beiden Männer aufeinander trafen: Ihre Töchter besuchten die gleiche Privatschule in Seattle, die Väter waren zum Picknick der Schule geladen und sprachen ein wenig über die Arbeit. Beide waren Online-Händler, der eine ein Gigant, der andere ein Winzling. Doch kurz darauf wurde der Scherz zur Wirklichkeit: Lore und Bezos lieferten sich einen harten Wettkampf.

Ein paar Jahre später, als Lore Bezos zum zweiten Mal traf, hatte er den Wettkampf verloren. Und der Amazon-Chef konnte sich an die erste Begegnung nicht mehr erinnern. Jetzt bekommt Lore die beste Chance auf eine Revanche. Walmart, der größte Handelskonzern der Welt, hat Lores gerade einmal ein Jahr altes Start-up Jet für 3,3 Milliarden Dollar übernommen. Lore wird bei Walmart künftig Chef für alle Online-Geschäfte, bei denen der Konzern bislang Amazon hinterherhinkt. Mit der Finanzkraft von Walmart ist der 46-Jährige gewappnet wie nie zuvor, Amazon einen ernsthaften Wettkampf zu liefern.

Dass Lore noch eine Rechnung mit Amazon offen hat, liegt nicht an Jet, der Firma, die nun zu Walmart gehört, sondern an dem Unternehmen, das er zuvor gegründet und von dem er Bezos damals bei dem Schul-Picknick erzählt hatte: Es hieß Quidsi und verkaufte vor allem Windeln auf Diapers.com. Die Seite wuchs rasant und brachte dem Gründer und Chef Lore gute Umsätze und Gewinne, gestresste junge Eltern liebten es, Windeln im Internet zu bestellen und zur Haustür geliefert zu bekommen. Amazon verkaufte damals Bücher, CDs und Elektrogeräte, interessierte sich aber kaum für Babyprodukte. Doch dann bemerkte Bezos, wie einträglich Diapers.com war, stieg in das Geschäft ein und lieferte Lore einen Preiskampf. Lore berechnete einmal, dass Amazon in drei Monaten 100 Millionen Dollar mit Windeln verlor, weil der Konzern sie so billig verkaufte. Diapers.com konnte nicht mithalten. 2010 musste er seine Firma an Bezos verkaufen, für 550 Millionen Dollar. Lore wechselte zu Amazon und lernte den Konzern von innen kennen, verließ ihn aber nach gut zwei Jahren und begann die Arbeit an dem nächsten Amazon-Rivalen: Jet.

Bei Jet sollten Kunden gegen eine kleine Mitgliedsgebühr Waren für etwa 15 Prozent niedrigere Preise bestellen können als bei Amazon und anderen Händlern, der Versand war kostenlos. Je mehr die Kunden kauften, desto billiger sollten die einzelnen Produkte sein. Lore sammelte für die Idee so viel Geld von Wagniskapitalgebern ein wie kein Neueinsteiger im Online-Handel zuvor. Und Jet wuchs - in einem Jahr gewann Lore 3,6 Millionen Kunden. Doch das Geschäftsmodell, nur an der Mitgliedsgebühr zu verdienen, funktionierte nicht, sie schreckte die Kunden ab. Nach drei Monaten gab Lore die Idee auf und knapste doch von jedem Verkauf einen Anteil ab, die Rabatte sanken, die Zahl der Kunden stieg nicht so schnell wie erhofft. Auch die Investoren waren nicht mehr so begeistert von Jet, dabei hätte Lore neues Kapital gebraucht. Nach und nach wurde klar, dass er allein den Kampf gegen Amazon wieder verlieren würde.

Wer Lore nach Amazon fragt, bekommt eine diplomatische Antwort: "Der Online-Handel in den USA setzt heute mehr als 300 Milliarden Dollar um, in den nächsten zehn Jahren wird es eine Billion sein. Da ist genug Platz für zwei große Spieler. Bislang war so ziemlich alles Amazon, aber da gibt es noch eine Chance." Jetzt will er sie ergreifen - mit seinen Ideen und der Marktmacht von Walmart.

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