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Nahaufnahme: Morgens geht er nicht sofort ins Büro, sondern erst auf den Golfplatz: "Die 90 Minuten gehören mir." Li Kashing.

Morgens geht er nicht sofort ins Büro, sondern erst auf den Golfplatz: "Die 90 Minuten gehören mir." Li Kashing.

(Foto: AFP)

Hongkongs Patriarch Li Kashing investiert 14 Milliarden Euro in den Mobilfunkanbieter O2.

Von Marcel Grzanna

Li Kashing ist für seine beiden Söhne so etwas wie Queen Elizabeth für Prinz Charles: eine ewige Institution, die der eigenen Karriere im Wege steht. Der Hongkonger Investmentkönig regiert seit Jahrzehnten sein Imperium genau wie die Monarchin ihr Commonwealth. Im Jahr 2000 wurde er zum Ritter des britischen Königreichs geschlagen. Seitdem darf er sich Sir nennen. Und wie das britische Staatsoberhaupt macht auch Li Kashing trotz des hohen Alters keine Anstalten, seinen Thron zu räumen. Wichtige Entscheidungen in seinem Mischkonzern Hutchison Whampoa trifft der Patriarch.

86 Jahre ist Li inzwischen alt und mit rund 35 Milliarden US-Dollar Vermögen immer noch der zweitreichste Mensch Asiens, nachdem ihn kürzlich Alibaba-Gründer Jack Ma überholte. Aber kürzertreten kommt für Li offenbar nicht infrage. Im Gegenteil: Der Kauf des britischen Mobilfunkanbieters O2 aus dem Besitz der spanischen Telefónica für rund 14 Milliarden Euro ist die größte Auslandsinvestition in der Geschichte seines Unternehmens. Statt im Spätherbst seines Lebens nur noch die Früchte seiner Arbeit zu genießen, richtet Li die Strategie seines Imperiums neu aus.

Konsequent hat er viel Geld aus der Volksrepublik China abgezogen und in Europa investiert. Seit 2013 stieß Li in Großstädten wie Shanghai, Guangzhou oder Nanjing Gebäude im Wert von über zwei Milliarden US-Dollar ab. Sein Sohn Richard verkaufte in Peking eine Immobilie für 900 Millionen Dollar. Beobachter unkten, dass das ein sicheres Zeichen dafür sei, dass der Immobilienmarkt in China düsteren Zeiten entgegenblicke. "Er ist ein absoluter Meister der Investition. Der Immobiliensektor in China ist nicht mehr verlässlich, und die politische Situation in Hongkong wird immer ungewisser. In Europa ist sein Geld gut aufgehoben", sagt der Pekinger Telekommunikationsexperte Xiang Ligang. Der Mobilfunkmarkt in Europa sei zwar nicht so dynamisch wie einst die Immobilien in China, aber auf jeden Fall eine Bank für solide Renditen. "Mit zunehmendem Alter sucht Li lieber nach sicheren Anlagen, als dass er noch zu viele riskante Abenteuer eingehen würde", sagt Xiang. Das klingt plausibel, würde doch jeder Arzt einem 86-Jährigen grundsätzlich wenig Aufregung verordnen.

Doch Li ist fit. Es wird berichtet, dass er jeden Morgen vor sechs Uhr aufsteht, um anderthalb Stunden zu golfen. "Die 90 Minuten gehören mir", sagte er einmal. Für den Rest des Tages verlangt meistens das Geschäft seine ganze Aufmerksamkeit. Sein Riecher für Investitionen ist legendär. Anfangs verkaufte er Plastikblumen, später investierte er gegen den Trend. Als die Kulturrevolution in den 60er-Jahren die benachbarte Volksrepublik in Unruhe versetzte, wettete Li darauf, dass die britische Herrschaft über Hongkong Bestand haben würde. Er kaufte so viele Immobilien wie möglich, als andere einen Rückzieher machten. Als sich die politische Lage beruhigte, zogen die Wohnungspreise an. Auch in den 80er-Jahren behielt Li einen kühlen Kopf, als die Bedingungen über die Rückgabe von Hongkong an die Volksrepublik China zwischen Peking und London verhandelt wurden. Viele Geschäftsleute sahen das Ende der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt nahen. Li kaufte vier Anlegestellen für Containerschiffe im Hongkonger Hafen - zu Schnäppchenpreisen. Wieder ging die Idee auf. Li expandierte sein Terminalgeschäft in alle Welt von Rotterdam bis Panama. Hinter den Kulissen pflegt Li beste Verbindungen in die höchsten politischen Kreise. Doch öffentlich verzichtet er darauf, sich zu positionieren. Politik interessiere ihn nicht, betont er. Zum "mächtigsten Mann Asiens" ernannten ihn die Medien Anfang des Jahrtausends auch ohne politisches Mandat.

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