Nahaufnahme:Stolz auf Mama

Nahaufnahme: Emma Walmsley: "Leute bedauern viel mehr, was sie verpasst haben, als was sie gemacht haben."

Emma Walmsley: "Leute bedauern viel mehr, was sie verpasst haben, als was sie gemacht haben."

(Foto: Reuters)

Emma Walmsley führt als erste Frau einen Pharmakonzern, Glaxo-Smith-Kline. Früher hat die Oxford-Absolventin in China gearbeitet. Das könnte ihr nun von Nutzen sein.

Von Björn Finke

Emma Walmsley leitete das Verbrauchergeschäft der Kosmetikfirma L'Oréal in China. Die Britin lebte mit Mann und vier Kindern in Shanghai. Da machte ihr der Chef des Londoner Pharmakonzerns Glaxo-Smith-Kline (GSK), Andrew Witty, ein verlockendes Angebot. Die Managerin, die 17 Jahre bei L'Oréal gearbeitet und keine Pharmaerfahrung hatte, sollte die GSK-Sparte für Drogerieprodukte führen, die etwa Voltaren-Schmerzgel oder Sensodyne-Zahncreme vertreibt. Walmsley war skeptisch: Sie habe sich gefragt, ob sie "wirklich qualifiziert" sei, erinnert sie sich später. Zudem wäre der Wechsel "der Familie gegenüber unfair", die sich in China eingelebt hat. Und er wäre "illoyal" gegenüber L'Oréal.

Am Ende überzeugte sie Gatte David, den Schritt nach London zu wagen. "Das ist die zweitbeste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe, hinter der, David zu heiraten", sagt Walmsley. "Leute bedauern viel mehr, was sie verpasst haben, als was sie gemacht haben." Und so fing die heute 47-Jährige 2010 bei GSK an. Der Mut zahlt sich nun aus, denn die Oxford-Absolventin, die alte und moderne Sprachen studiert hat, löste an diesem Wochenende Witty als Vorstandschef ab. Der hatte seinen Rückzug schon länger geplant. Walmsley ist die erste Frau an der Spitze eines Pharmakonzerns. Und generell eine der ganz wenigen Frauen weltweit, die ein großes Unternehmen führen. Kein einziges der 30 Mitglieder des deutschen Börsenindizes Dax wird von einer Frau geleitet.

Um Wittys Nachfolge bewarb sich auch Abbas Hussain, der Chef der GSK-Pharmasparte, des Kerngeschäfts der Londoner. Weil er nicht zum Zuge kam, verlässt er das Unternehmen. Seinen Nachfolger Luke Miels holte GSK vom britischen Rivalen Astra-Zeneca. Walmsley arbeitet sich seit Januar in ihr neues Aufgabengebiet ein.

Einige Aktionäre fordern, dass die größte Pharmafirma des Königreichs ihr Geschäft mit Drogerieprodukten verkaufen soll, weil die Gewinnmargen dort niedriger sind als bei verschreibungspflichtigen Arzneien. Die Berufung der früheren Herrin über Zahnpasta und Schmerzgel zur Konzernlenkerin deutet aber darauf hin, dass GSK diesen Wünschen nicht folgen will. Ihren ersten großen Auftritt hat Walmsley Ende April, wenn sie die Ergebnisse für Januar bis März präsentiert - ein Quartal, für das sie noch keine Verantwortung trägt. Später im Jahr will sie ihre Strategie darlegen, wobei Beobachter keine radikale Abkehr von Wittys Ansatz erwarten.

Dass Walmsley für L'Oréal in China gearbeitet hat und das Land kennt, könnte ihr nutzen, denn GSKs dortige Niederlassung steckt in der Krise. Die Gesellschaft hatte Ärzte bestochen. Als das herauskam, brachen die Verkäufe ein, der Konzern musste eine hohe Strafe zahlen. Zum Problem könnten außerdem die Pläne von US-Präsident Donald Trump werden, die Preise für Arzneimittel zu drücken. Walmsley wird also wohl weiterhin viel in der Welt herumjetten. Trotzdem bemühe sie sich, so viele Schultheater-Aufführungen und Elternabende wie möglich zu besuchen, sagt sie. Ihre Kinder seien "stolz auf ihre Mama".

Walmsley kassiert ein Grundgehalt von einer Million Pfund im Jahr, etwa 1,17 Millionen Euro. Das sind zehn Prozent weniger, als ihr lang gedienter Vorgänger Witty erhielt. Da auch Boni und Altersvorsorge kleiner ausfallen, wird die Managerin insgesamt um ein Viertel schlechter bezahlt. Mit Diskriminierung von Frauen soll das aber nichts zu tun haben: Die geringere Entlohnung ist Ergebnis "der Tatsache, dass dies für Emma der erste Vorstandsvorsitzenden-Posten ist", teilt der Konzern mit. Doch der Vergütungsausschuss des Aufsichtsrats werde "Emmas Bezüge in den kommenden Jahren mit Blick auf ihre Leistung und Entwicklung auf dem Posten überprüfen".

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