Nahaufnahme:Sergio vergisst nicht

Nahaufnahme: "Die Notwendigkeit zur Konsolidierung verschwindet nicht einfach." Sergio Marchionne.

"Die Notwendigkeit zur Konsolidierung verschwindet nicht einfach." Sergio Marchionne.

(Foto: Bloomberg)

Fiat-Chef Marchionne kann sich auch eine Fusion mit VW vorstellen. Dahinter steckt auch ein wenig Häme. Einst haben ihn die VW-Bosse schwer gedemütigt.

Von Thomas Fromm

Sergio Marchionne, 63, wünscht sich oft, er wäre nicht mehr allein. Der Fiat-Chrysler-Chef gehört zu denen, die meinen, nur große Autokonzerne würden in Zukunft noch erfolgreiche Autokonzerne sein. Weil es unterm Strich billiger ist, in Elektro- oder selbstfahrende Autos zu investieren, wenn man möglichst viele Autos im Jahr verkauft. Besser zehn oder 15 Millionen als vier Millionen. Meist sitzt der Chef des siebtgrößten Autoherstellers der Welt dann auf irgendeinem Podium, philosophiert über dies und das, brummt seine Sicht der Dinge vor sich hin (manchmal brummt er auf Englisch, manchmal auf Italienisch), und irgendwann kommt dann sein Lieblingsthema. La grandezza.

Ende vergangener Woche war es wieder so weit, da saß er in Amsterdam, erklärte die Rivalen Toyota, Ford und VW zu möglichen Fusionspartnern. "Die Tür wurde nie geschlossen, die Notwendigkeit zur Konsolidierung verschwindet nicht einfach", sagte er. Also: Wer will, kann durch die Tür.

Toyota und Ford o.k., aber: Volkswagen? Der Dieselskandal-Konzern, der gerade zwischen Stimmungstief und Krisenmodus herumfährt, von dem niemand weiß, wie er die drohenden Milliardenforderungen von Behörden, Kunden und Sammelklägern auf die Reihe kriegen soll?

Aber sicher doch. Marchionne, der Mann, der seit Jahren nur noch mit dunklem Pullover unters Volk geht (während seine Mitarbeiter Anzug und Krawatte tragen), meint vielleicht nicht immer alles so, wie er es sagt. Vielleicht erschließt sich sein Humor nicht jedem immer sofort.

Aber er könnte es ernst meinen mit seinem Lockruf: Ciao Colleghi, falls ihr gar nicht mehr klarkommt da oben in Wolfsburg - der alte Sergio ist immer da, ihr müsst ihn nur fragen.

Natürlich ist das nur die halbe Geschichte. Natürlich dürfte es Marchionne gerade im Fall VW Spaß machen, über Autohochzeiten nachzudenken. Denn der alte Sergio vergisst nicht. Schon gar nicht, dass ihn sein Erzrivale VW vor einigen Jahren kräftig vorgeführt hat. Das hatte damals gesessen und den Mann schwer gekränkt. Insofern: Ja, es ist ein interessantes Angebot.

Aber auch eine kleine Rache. Vendetta.

Rückblick: Pariser Autosalon vor ein paar Jahren, VW geht es blendend, der Konzern strotzt vor Kraft. Die Italiener dagegen: Haben alle Mühe, die Krise in Europa abzuschütteln. Italien schwächelt, der Rest von Europa ebenfalls. Gerüchte machen die Runde, VW könnte es auf die Fiat-Tochter Alfa Romeo abgesehen haben. Fiat wehrt sich, will Alfa behalten, versucht, alle Gerüchte über einen bevorstehenden Deal zu zerstreuen. Und der damalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch läuft über die Messe und sagt genüsslich: "Wir sind geduldig, wir können warten." Dem Konzern gehe es noch nicht schlecht genug, sagte er in Richtung Turin.

Antwort Marchionne: "Piëch, lass es."

Piëch ist seit einem Jahr weg. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn hat es im Zuge der Dieselaffäre im Herbst aus dem Amt gekegelt. Marchionne dagegen ist immer noch da, hat Alfa immer noch nicht verkauft und lädt stattdessen zu Mega-Fusionen ein.

So ändert sich in kurzer Zeit das Bild.

Zuletzt hatte sich der Italo-Kanadier an der Opel-Mutter General Motors und deren Chefin Mary Barra abgearbeitet. Der Managerin schrieb er eine Mail und machte ihr darin ein eindeutiges Angebot. Marchionne gehört nicht zu denen, die zum Anbandeln zum Diner bei Kerzenschein laden. Doch die digital Umworbene ging nicht auf das Angebot des Fiat-Chefs ein.

Anfang des Jahres saß Marchionne dann bei der Automesse in Detroit und sagte, er und Barra hätten "nicht mal Kaffee zusammen getrunken". Als "Truthahn", der er sei, habe er ihr aber die Hand geschüttelt.

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