Nahaufnahme:Rhetorischer Amokläufer

Baba Ramdev / Nahaufnahme  11.4.

"Lang lebe Mutter Indien": Baba Ramdev.

(Foto: AFP)

Der indische Guru Baba Ramdev eckt mit seinen patriotischen Sprüchen bei vielen an. Aber er profitiert auch davon, seine Geschäfte laufen glänzend.

Von Arne Perras

Baba Ramdev, populärer indischer Guru und neureicher Nudelfabrikant, hatte lange eine Fernsehshow, in der er seinen drahtigen Körper verknotete und die Zuschauer das richtige Atmen lehrte. Doch nun blieb vielen plötzlich die Luft weg, als sie hörten, was Ramdev vor Kurzem an Ungeheurem von sich gab: Würden ihn nicht die Gesetze daran hindern, würde er Tausenden Menschen den Kopf abschlagen, wenn sie sich weigerten, "Lang lebe Mutter Indien" zu rufen.

Ramdevs rhetorischer Amoklauf fällt in eine Zeit, da Indien hitzig debattiert, wer sich als Patriot bezeichnen darf und wer nicht. Die Äußerungen des geschäftstüchtigen Gurus entfachten einen Sturm in den sozialen Medien, Sarkasmus entlud sich, einer fragte, ob Indien nun schon mit der "ayurvedischen Variante von Jihadi John", des islamistischen Terroristen, konfrontiert sei. Es war nicht der erste finstere Einwurf, mit dem der Guru aufgefallen ist. Zuvor hatte er mal erklärt, er könne Homosexualität durch Yoga "heilen".

Ob ihm die Kopf-ab-Hetze ökonomisch schaden wird, ist nicht sicher. Der Yogi ist so populär, dass auch Premier Narendra Modi sich gerne mit ihm fotografieren lässt. Yoga, wie es Ramdev für die Massen vorturnt, wird von Politikern als wertvolle Soft Power betrachtet, um Indiens Einfluss in der Welt zu mehren. Diesem Ziel hat Ramdevs Hassattacke kaum gedient. Doch vermutlich war die Stoßrichtung auch eine ganz andere. Der Guru will nun offenbar rabiaten nationalistischen Eiferern gefallen. Modis Parteichef Amit Shah sprang Ramdev denn auch prompt zur Seite und verteidigte ihn mit der Frage, ob nicht auch für den Guru das Recht der freien Rede gelte.

Ramdevs Geschäfte waren zuletzt prächtig gewachsen. Wie ein irritierter Anhänger anmerkte, hat der Guru nun alle Hände voll zu tun, "Spiritualität in materiellen Profit zu verwandeln". Sein Business baut unter anderem auf der Idee auf, dass Inder einheimische Produkte kaufen sollten. Misstrauen gegenüber internationalen Konzernen ist Teil einer Strategie, mit der spirituelle Führer in Safranroben ihre Wirtschaftsimperien erweitern. Anfangs waren es ayurvedische Produkte, später entdeckte Ramdev aber auch den Wert der sehr weltlichen Instant-Nudel.

Die Zeiten schienen günstig. Lange hatte vor allem der Konzern Nestlé die Maggi-Zwei-Minuten-Nudel unters Volk gebracht. Als der Staat mit Nestlé über angeblich schadstoffbelastete Ware stritt, geriet das Produkt in Verruf, 27 000 Tonnen wurden vernichtet. Inzwischen ist Maggi zurück, doch Ramdev stieß in die Lücke. Ironischerweise kämpft allerdings auch der Guru mit den Behörden wegen angeblicher Mängel. Die Opposition Modis fordert gar, Ramdevs Nudeln müssten verboten werden. Der 50-jährige Guru, der manchen als Pionier des "spirituellen Kapitalismus" gilt, macht auch dem Konzern Colgate Palmolive Konkurrenz. Marketingexperte Harish Bijoor beobachtet auf dem Konsumentenmarkt schon "tektonische Verschiebungen", was nicht nur, aber auch am Aufstieg der Guru-Produkte liegt. Ramdev hat mit einem Partner Patanjali Ayurved Limited aufgebaut. Ihren Sitz hat die Firma standesgemäß in Haridwar, einem spirituellen Zentrum am heiligen Ganges. Voriges Jahr verzeichnete sie Einnahmen von 263 Millionen Euro, für dieses Jahr erwartet sie mehr als das Doppelte. Bis 2020 rechnet die Investitionsgesellschaft IIFL mit einem Umsatzpotenzial von 2,6 Milliarden Euro. Der Guru vertreibt mehr als 800 Produkte, von Zahncreme über Shampoo bis zum Amla-Saft, der die Immunabwehr stärken soll. Natürlich kommt die Amla-Frucht aus Indien. Und Baba Ramdev trinkt den Saft jeden Morgen selbst, bevor er sich drei Stunden lang beim Yoga verbiegt.

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