Nahaufnahme:Rente schwarz-grün

Nahaufnahme: "Die staatlich geförderte Riester-Rente und auch die Betriebsrente reichen nicht aus." Thomas Schäfer

"Die staatlich geförderte Riester-Rente und auch die Betriebsrente reichen nicht aus." Thomas Schäfer

(Foto: dpa)

Das System Riester auf den Kopf gestellt: Wie Thomas Schäfer, hessischer Finanzminister, die Altersvorsorge in Deutschland sanieren möchte.

Von Guido Bohsem

So kann man das Problem mit den Babyboomern und der Rentenversicherung in zwei Sätzen erklären. "Ich bin Jahrgang 1966, da wurden in Deutschland 1,4 Millionen Kinder geboren", sagt Thomas Schäfer (CDU). "Meine Tochter ist Jahrgang 2008, da wurden nur noch 700 000 Kinder geboren." Das Verhältnis zwischen Alt und Jung ändert sich in Deutschland. Spätestens wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Sechzigerjahre in Rente gehen, müssen weniger junge mehr ältere Menschen versorgen als das heute noch der Fall ist. Das heißt, für die Jungen steigen die Beiträge und für die Alten sinken die Renten.

Schon viele haben sich darüber den Kopf zerbrochen, wie man dieses absehbare Problem der Rentenversicherung lösen kann. Doch ist die Deutschland-Rente, die der hessische Finanzminister mit seinen Kollegen aus dem Wirtschafts- und Sozialministerium, Tarek Al-Wazir und Stefan Grüttner ausgeheckt hat, definitiv das erste schwarz-grüne Projekt in dieser Richtung. "Natürlich ist das ein Signal", sagt Schäfer und macht damit kein Geheimnis aus dem Umstand, dass er zu den Unions-Politikern gehört, die sich nach der Bundestagswahl 2017 eine Koalition mit den Grünen auch im Bund vorstellen können.

Wenn man Schäfer fragt, wer von den Dreien zuerst mit der Idee schwanger gegangen ist, antwortet er: "Derjenige von uns, der am schwangersten aussieht." Sieht man die drei Männer nebeneinander, weiß man sofort, dass der Erfinder sich hier ironischerweise selber lobt.

Bei der Deutschland-Rente geht es darum, eine zusätzliche Vorsorge auf die Beine zu stellen, damit die gesetzliche Rente auf Dauer entlastet wird. "Die staatlich geförderte Riester-Rente und auch die Betriebsrente reichen nicht aus", bilanziert Schäfer. Bei der Betriebsrente machen die kleinen Unternehmen nicht in ausreichender Zahl mit. Die Riester-Rente leidet darunter, dass zu viele Anbieter mehr an die eigenen Provisionen als an die Rendite der Anleger gedacht haben - was ebenfalls dazu führt, dass zu wenige mitmachen.

Die Deutschland-Rente soll deshalb grundsätzlich verpflichtend sein. Oder besser gesagt, jeder Arbeitnehmer muss grundsätzlich einzahlen, es sei denn er entscheidet sich dagegen (Opt out). Es ist also genau der umgekehrte Ansatz wie bei der Riester-Rente, bei der die Arbeitnehmer sich dafür entscheiden müssen (Opt in). Weil sich die wenigsten Gedanken über Geldanlagen machen und zudem zur Faulheit neigen, würden wohl die allermeisten Arbeitnehmer bei der Deutschland-Rente mitmachen. "Wir würden die Leute mit sanftem Druck überzeugen", so Schäfer.

Nun sind die gesetzliche Rente, ihre Probleme und deren Lösungsansätze gewöhnlich nicht Sache eines Finanzministers. Der hat in der Regel am Ende eher den Schaden, weil er unter Umständen zusätzliche Fördergelder bereitstellen muss. Zwei Gründe haben Schäfer trotzdem zur Deutschland-Rente geführt.

Zum einen glaubt er, dass die Deutschen bei ihrer Altersvorsorge zu wenig auf Aktien setzen - weshalb die Mittel der Deutschland-Renten zu einem großen Teil in Unternehmenspapiere fließen sollen - was dem Finanzminister des Finanzstandorts Frankfurt natürlich nur doppelt recht sein kann. Zum anderen, so sagt er es selbst, sei es gar nicht so schlecht, wenn sich auch mal ein Finanzminister "mit einem nüchternen Blick" auf die Zahlen des Themas annimmt, das ansonsten ja sehr emotional aufgeladen diskutiert werde.

Bis Ende 2016 will Schäfer einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet haben. "Ob der Bundestag im Wahljahr aber noch die Kraft zur Umsetzung haben wird, ist die Frage", so Schäfer. Wer weiß. Vielleicht ändern sich die Verhältnisse danach ja in Richtung schwarz-grün.

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