Nahaufnahme:Plötzliche Unruhe

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"Einige Leute mit böswilligen Motiven verbreiten falsche Gerüchte über den Vorsitzenden Wang Jianlin", lautet eine Nachricht des Unternehmens.

(Foto: Liang zi/Imaginechina)

Der reichste Chinese Wang Jianlin darf das Land angeblich nicht mehr verlassen. Ähnliche Gerüchte gab es vor der Verhaftung anderer Unternehmer.

Von Christoph Giesen

Jetzt auch noch Wang Jianlin? Der Lieblingsmilliardär des Politbüros? Am Montagmorgen schrieben die Zeitungen in Hongkong, der 62-Jährige dürfe China nicht mehr verlassen. Der reichste Mann Chinas gefangen im eigenen Land? Zuerst hatte ein Blog in den USA gemeldet, die Polizei in Tianjin habe Wang am Freitag davon abgehalten, mit seinem Privatjet abzuheben. Etliche Medien zogen nach. Die Aktien der Wang-Firma Wanda Hotel Development fielen an der Börse in Hongkong zwischenzeitlich um bis zu elf Prozent. Dann dementierte der Mutterkonzern Dalian Wanda hart: "Einige Leute mit böswilligen Motiven verbreiten falsche Gerüchte über den Vorsitzenden Wang Jianlin", hieß es in einer Erklärung. Doch die Unsicherheit hält an.

Jahrelang ging es für Wang und seine Firma nur aufwärts. Sein Vermögen wird auf mehr als 30 Milliarden Dollar geschätzt, politisch ist er bestens verdrahtet. Er ist langjähriges Mitglied der Kommunistischen Partei und hat als Abgeordneter beim Nationalen Volkskongress mitgestimmt. Das staatliche Fernsehen wählte ihn gleich zwei Mal zur Wirtschaftspersönlichkeit des Jahres: 2005 und 2012.

Geboren wurde Wang 1954 in der Provinz Sichuan. Sein Vater war ein Kommunist der ersten Stunde und kämpfte an der Seite von Mao Zedong. Das half während der Kulturrevolution. Statt wie die Klassenkameraden auf dem Land zu schuften, schloss sich Wang mit 15 Jahren der Volksbefreiungsarmee an. 17 Jahre diente er. Die Militärzeit wirkt bis heute nach. Wang setzt auf Disziplin. Wer bei der Arbeit die konservative Kleiderordnung nicht einhält, dem drohen Strafen.

Nach einem Intermezzo als Beamter gründete er 1988 in der nordostchinesischen Hafenstadt Dalian eine Immobilienfirma. Heute ist Dalian Wanda der größte Immobilienentwickler Chinas. In rund 100 Städten der Volksrepublik hat der Konzern Einkaufszentren und Hochhäuser errichten lassen. Hunderte Milliarden Yuan setzt das Unternehmen jedes Jahr um.

Vor knapp einem Jahr warnte Wang in einem Interview vor dem chinesischen Häusermarkt: "Das ist die größte Blase in der Geschichte." Er selbst hatte da bereits begonnen, umzuschichten. Mit 20 Prozent beteiligte sich Wanda am spanischen Fußballclub Atlético Madrid. Dazu an Fünf-Sterne-Hotels überall auf der Welt. Seit ein paar Jahren kauft sich Wang systematisch in Hollywood ein. Seine Vision: ein globaler Unterhaltungskonzern, Chinas Antwort auf Disney. 2020, so der Plan, soll der Umsatz bei 100 Milliarden Dollar im Jahr liegen - vielleicht ein wenig zu ambitioniert.

Zuletzt häuften sich die Schicksalsschläge. Vor einem Monat verkaufte Wanda plötzlich 77 Hotels und 13 Themenparks, angeblich um Schulden zu tilgen. Vergangene Woche gab das Unternehmen überraschend bekannt, sich von einem Immobiliendeal in London zurückzuziehen. 470 Millionen Pfund sollte das Grundstück am Nine Elms Square kosten. Bestens gelegen am Ufer der Themse.

Seit Ende vergangenen Jahres hat die Führung in Peking Auslandsakquisitionen chinesischer Unternehmen massiv eingeschränkt. Bloß keine Unruhe vor dem anstehenden Parteitag im Herbst, dem wichtigsten politischen Ereignis seit Jahren. Für eine Handvoll Unternehmen schienen diese Regeln nicht zu gelten. Auch Wangs Konzern kaufte wie eh und je. Bis Mitte Juni plötzlich Wu Xiaohui, der Gründer des Versicherungskonzerns Anbang verschwand. Auch er ein Milliardär, der im Ausland investierte, bei dem es ebenfalls hieß, er dürfe China nicht verlassen. Wenige Tage nach dem Dementi wurde er verhaftet. Warum Wu festgehalten wird und was man ihm vorwirft, ist nicht bekannt.

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