Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, sagt man. Bei Alessandro Benetton verhält sich das anders. Sein Vater Luciano Benetton, Gründer des bunten Maschen-Multis aus Treviso, hatte die Anstößigkeit einst zum erfolgreichen Mittel der Kommunikation erhoben. Er war sogar splitternackt mit der Aufforderung "Gebt mir meine Kleider zurück" vor die Kamera getreten, um für eine Altkleidersammlung zu werben. Den Sohn zog es dagegen in die Finanzbranche. Die Öffentlichkeit zu meiden, fällt dem scheuen Erben dort nicht schwer.
Plötzlich aber taucht Alessandro Benetton in einem Showroom im Mailänder Modeviereck auf. In weißen Turnschuhen federt der Investor über den Spiegelboden und filmt mit seinem Smartphone die Wandbemalungen. Der Raum steht voll von Glassäulen, auf denen Sneaker der Luxusmarke Philippe Model ausgestellt sind. Benetton trägt das Modell La Gare, mit offenen Schnürsenkeln. Der Schuhhersteller aus Venetien ist ein Neuzugang im Portfolio seiner Private-Equity-Firma "21 Investimenti". Dass er zur Einweihung des Showrooms aufkreuzt, zeigt: Es handelt sich für den 53-Jährigen nicht um eine X-beliebige Beteiligung. "Philippe Model liegt mir ganz besonders am Herzen", sagt Benetton. Die Marke hat ihren Ursprung im Paris der Achtzigerjahre, die Schuhe werden mit italienischem Knowhow gefertigt.
Alessandro Benetton, der Spross einer der berühmtesten italienischen Industriellendynastien, schlüpfte nie in die Kleider des Kronprinzen. Er ging auf Distanz zum Stammgeschäft der Familie. Im Alter von 28 Jahren gründete der Harvard-Absolvent den Finanzfonds "21 Investimenti". 1992 war das. Der Pionier wollte den tiefen Spalt in Italien zwischen Finanzwelt und Industrie überbrücken. In 25 Jahren sammelte er 1,6 Milliarden Euro ein, schob 90 Unternehmen zu Wachstum an und blieb stets hinter den Kulissen. Zuhause in Treviso verzieht er sich mit seiner Frau, der dreifachen Ski-Olympiasiegerin Deborah Compagnoni, und den drei Kindern in eine Villa, die der japanische Architekt Tadao Ando für ihn entworfen hat.
Nun steht der Finanzprofi in Jeans und Denim-Hemd unterm Jackett neben 270 Euro teuren Philippe-Model-Sneakern und redet über sein Selbstverständnis als Investor. "Für mich ist die Finanz nur ein Derivat und nie das eigentliche Ziel", sagt er. "Die Finanzwelt ist oft zu gierig und lässt den Unternehmen nicht die Zeit zu reifen." Dabei müssten Firmen wie Kinder einen natürlichen Entwicklungsprozess durchmachen. Kein Zweifel: Unter Benettons verschränkten Armen schlägt das Herz des Unternehmers.
Mit "21 Investimenti" bietet er mittelständischen Firmen, woran es häufig hapert: finanzielle und kulturelle Ressourcen. Ein Unternehmen, das vielleicht seit 30 Jahren auf dem Markt ist, möge fit im Alltagsgeschäft sein. Aber der schnelle Wandel seines Wettbewerbsumfelds gehe oft an ihm vorbei. "Als Investoren können wir Veränderungen zuvorkommen, weil wir den Mut zur Diskontinuität aufbringen", sagt Benetton Junior. Von außen habe man eben einen klareren Blick.
Benetton kennt das aus seiner Familie. Während der Textil-Clan vor 20 Jahren mit Erfolg in andere Branchen expandierte, verlor das Modeimperium den Anschluss. Alessandro übernahm 2012 das Zepter, um die verblassten Farben von United Colors aufzufrischen. Er konnte die radikale Wende, die er für nötig hielt, nicht durchsetzen und trat wieder ab. Kürzlich schmiss er auch den Aufsichtsratsposten hin. Nun will Benetton Philippe Model groß rausbringen und nimmt sich dafür Zeit. "Ich habe entdeckt, dass ,21 Investimenti' in der schnelllebigen Wirtschaft eine neue Form des Unternehmertums darstellen kann", sagt er.