Nahaufnahme:Nächte tauschen

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"Bei Airbnb ist der Gast ein Kunde, bei uns ist er ein Freund." Serge Duriavig. (Foto: oh)

Serge Duriavig hat ein Portal gegründet, bei dem Nutzer ihre Wohnung anbieten und Übernachtungen sammeln können. Die bekommen sie gutgeschrieben.

Von Varinia Bernau

Er hat sich selbst oft in fremden Wohnungen einquartiert, in Amsterdam, in London, in New York. Zwei Jahre reiste Serge Duriavig durch die Welt, nachdem er einige Zeit in einem schnell wachsenden Start-up viel gearbeitet, aber auch viel Geld verdient hatte. Fast immer übernachtete der Franzose bei Leuten, denen er zur selben Zeit seine eigene Wohnung überließ. "Ich habe schnell festgestellt, dass man Stunden mit der Suche nach einem Tauschpartner verbringt", sagt Duriavig, 39. "Er muss ja nicht nur vertrauenswürdig wirken. Er muss auch in der richtigen Stadt wohnen und zur richtigen Zeit Urlaub haben."

So reifte während seiner Reise eine Idee: Wie wäre es mit einer virtuellen Währung für die Aufenthalte in den zu tauschenden Wohnungen? Wie wäre es, wenn man die Übernachtung anderswo mit Nächten bezahlen könnte, in denen man seine eigene Wohnung anderen zur Verfügung stellt?

Es war die Idee zu seinem Portal Night-swapping: Wer sich dort anmeldet, kann seine Wohnung anderen anbieten und so Übernachtungen sammeln, die er bei den Mitgliedern des Netzwerks eintauschen kann. Ein Zwei-Zimmer-Appartement ist weniger wert als eine Villa, eine Wohnung in einer angesagten Metropole aber auch mehr als ein Haus auf dem Land. Man kann sein Guthaben auch mit echtem Geld aufstocken. Bei jedem Tausch fällt eine Reservierungsgebühr an. Etwa 10 000 Wohnungen in 130 Ländern, vor allem in Westeuropa, sind auf Nightswapping zu finden.

Tauschplattformen für Wohnungen im Netz gibt es schon lange. Aber das Angebot des Franzosen fällt trotzdem auf, weil es praktischer ist als der Wohnungstausch wie ihn Duriavig einst praktizierte. Es verspricht mehr Komfort als das sogenannte Couchsurfing, wo die Übernachtung zwar nichts kostet, man sich aber meist verpflichtet, dem Gast auch seine Heimatstadt zu zeigen. Und weil es nicht ganz so sehr wie Geldschneiderei wirkt wie Airbnb. Vielleicht ist dies sogar das Wichtigste.

Die Share Economy, also die Idee, die Dinge des Lebens lieber mit anderen zu teilen, statt alles selbst zu besitzen, ist zuletzt in Verruf geraten. Das hat auch mit den Schlagzeilen zu tun, die das amerikanische Start-up Airbnb gemacht hat, weil Leute in Berlin oder New York mit ihren Wohnungen auf der Plattform ein regelrechtes Geschäft machen, ohne darauf Steuern abzuführen. Es gehe darum, die ursprüngliche Idee von Airbnb wiederzuleben, sagt der 39-Jährige. So sollen die kleinen netten Gesten zwischen Gast und Gastgeber gefördert werden: eine Flasche Wein zur Begrüßung auf dem Küchentisch oder ein Zettel mit ein paar Empfehlungen hinterlassen. Solche Sachen. "Bei Airbnb ist der Gast ein Kunde, bei uns ist er ein Freund."

Offenbar kommt das an: 60 000 Menschen haben sich bei Nightswapping angemeldet. Jeden Monat steigt die Zahl der Mitglieder um ein Fünftel. Besonders beliebt sei das Portal in Deutschland, sagt Duriavig, der sein Berufsleben einst als Sportlehrer begann, ehe er auf Internetunternehmer umsattelte. Nun führt der 39-Jährige das Unternehmen mit 20 Mitarbeitern in Büros in Paris und Lyon. Kürzlich hat er mit seiner Idee zwei Millionen Euro bei Risikokapitalgebern eingesammelt.

Einmal, erzählt Duriavig, fand er seine an Fremde verliehene Wohnung reichlich verdreckt wieder. Zwei Teller waren zu Bruch gegangen. Das habe ihn geärgert, aber nicht davon abgehalten, es noch mal zu versuchen. Die nächsten Gäste haben ein Set mit sechs Gläsern gekauft, nachdem ein Glas zerbrochen war. Er habe daraus die Lehre gezogen, dass nichts im Leben ohne Risiko sei. Dass aber oft belohnt wird, wer etwas wagt. "Man darf sich nicht in Besitz nehmen lassen von den Dingen, die man besitzt."

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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