Nahaufnahme:Miss Welthandel

Nahaufnahme: "Wir müssen Afrika und der Welt beweisen, dass die WTO Ergebnisse liefern kann." Amina Mohamed

"Wir müssen Afrika und der Welt beweisen, dass die WTO Ergebnisse liefern kann." Amina Mohamed

(Foto: Roth/AP)

Kenias Außenministerin soll die WTO aus der Krise führen. Viel Zeit bleibt ihr dafür nicht: Die Verhandlungsrunde in Nairobi soll bis Freitag zu einem Ergebnis kommen.

Von Michael Bauchmüller

Amina Mohamed hält Hof, im Halbstunden-Takt. Die Inder waren da, die Pakistaner. Zum Frühstück sprach die Delegation aus den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, danach traf sie sich flott mit ihren drei Stellvertretern. Um das Treffen der Handelsminister noch zu einem Erfolg der Welthandelsorganisation WTO zu machen, bleiben Amina Mohamed nun kaum noch 48 Stunden. 48 Stunden, in denen Kenias Außenministerin eine Führungsrolle bei der WTO einnehmen kann, die ihr auf anderem Wege nicht vergönnt war.

Dass die Lage nicht einfach ist, weiß die 54-jährige Diplomatin selbst. "Wir stehen vor einer klaren Wahl", sagt sie: "Wir können die vermittelnde Rolle der Organisation wiederbeleben. Oder der Stillstand der vergangenen Jahre währt fort." Beides werde den Charakter der Welthandelsorganisation grundlegend verändern. Die Ministerrunde, die noch bis Freitag in Kenia tagt, habe eine einmalige Gelegenheit, die WTO voranzubringen.

Was die Organisation so plagt, ist die nunmehr 14 Jahre alte Doha-Runde. Eingeläutet zwei Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, sollte sie vor allem Entwicklungsländern neue Perspektiven bieten. Sie sollte Verzerrungen auf den Agrarmärkten beenden, und damit Kleinbauern vom ruinösen Wettlauf mit subventionierten Importen aus Industrieländern befreien. Sie sollte endlich die Märkte des Nordens für den Süden weiter öffnen. Handel, auch mit Dienstleistungen, sollte einfacher werden. Doch nie in den 14 Jahren tagte die Entwicklungsrunde in einem Entwicklungsland. Bis jetzt.

Mohamed hat in diesen Jahren alle möglichen Funktionen in der WTO ausgeübt. Sie war die erste Frau, die dem wichtigen Rat der Organisation vorstand. Dass Pascal Lamy 2005 Generaldirektor der Organisation wurde, lag deshalb nicht zuletzt auch an ihr. Sie kümmerte sich um Streitbeilegung, um Handelspolitik, um Menschenrechte. So einflussreich wie Mohamed im Innern des Apparats war, so effizient wirkte Kenia im Kreis der Mitglieder. 2003 war die Regierung in Nairobi maßgeblich daran beteiligt, dass das Ministertreffen in Cancún scheiterte - ihre "Allianz der 32", ein Zusammenschluss von Entwicklungsländern, sperrte sich gegen eine Ausweitung der Verhandlungen auf weitere Themen. Kurz darauf platzte die Konferenz.

Der Streitpunkt von damals bestimmt auch die Agenda dieser Woche. Soll die WTO sich darauf konzentrieren, die Doha-Runde abzuschließen? Oder ist es, wie der US-Handelsbeauftragte Michael Froman kürzlich formulierte, "Zeit, sich von den Verengungen von Doha zu befreien"? Die USA dringen darauf, auch den Investitionsschutz zu verhandeln, Fragen des Wettbewerbs oder Regeln für den Internethandel. Die Entwicklungsländer pochen auf die eigentlichen Ziele der Doha-Runde. Und Amina Mohamed steht als Verhandlungsleiterin nun mittendrin. "Wir müssen Afrika und der Welt beweisen, dass die WTO Ergebnisse liefern kann", sagt sie. Am Mittwochabend gelang ein erster Beweis: Die EU-Staaten und 30 weitere WTO-Mitgliedsländer schlossen ein im Sommer vereinbartes Abkommen endgültig ab, das 200 Zölle auf IT-Produkte beseitigen wird, mithin auf zehn Prozent des Welthandels. Wenn Mohamed in ihrem Bewerbungsschreiben nicht zu sehr übertrieben hat, gibt es auch eine Chance auf weitere Erfolge. 2013 ging sie als Bewerberin Kenias ins Rennen um die Lamy-Nachfolge, sie wollte an die Spitze der WTO. Sie unterlag zwar dem Brasilianer Roberto Azevêdo, ihre Qualitäten aber schienen perfekt. Als "inspirierende Anführerin" mit "glänzenden Verhandlungsfähigkeiten" beschrieb Kenias Regierung die Kandidatin in der Bewerbung, als "exzellente Strategin und Visionärin".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: