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Nahaufnahme: "Angesichts der enormen Kosten, die eine neue Finanzkrise bringen würde, sollten wir mutigere und transformative Optionen erwägen." Neel Kashkari.

"Angesichts der enormen Kosten, die eine neue Finanzkrise bringen würde, sollten wir mutigere und transformative Optionen erwägen." Neel Kashkari.

(Foto: AP)

Der neue US-Notenbanker Neel Kashkari startet seine Amtszeit mit einem Paukenschlag: Er will Großbanken zerschlagen.

Von Nikolaus Piper

Für die Federal Reserve Bank of Minneapolis dürften sich bisher außerhalb der Vereinigten Staaten nur wenige Menschen interessiert haben. Hauptaufgabe der Minneapolis Fed ist es, den nördlichen Teil des Mittleren Westens innerhalb der amerikanischen Notenbank Federal Reserve zu vertreten. Weil es dort nur Regionalbanken gibt, liegt die Bedeutung der Landeszentralbank weit hinter jener der New York Fed zurück.

Künftig könnte es sich lohnen, trotzdem sehr genau auf das zu achten, was aus dem Fed-Sitz in der Stadt am Mississippi kommt. Deren neuer Präsident Neel Kashkari, 42, startete seine Amtszeit mit einem Paukenschlag. In einer Rede vor der renommierten Brookings Institution in Washington forderte er nicht weniger als die Zerschlagung der großen Banken "in kleinere, weniger vernetzte, weniger wichtige Einheiten". Begründung: "Angesichts der enormen Kosten, die eine neue Finanzkrise mit sich bringen würde, und der Ungewissheit, ob die neuen Instrumente (der nach der letzten Finanzkrise eingeführten Regulierung) dann auch wirken, sollten wir meiner Meinung nach mutigere und transformative Optionen erwägen." Mit anderen Worten: Das Risiko, dass eine Bank nicht pleitegehen kann, weil sie zu groß ist ("Too big to fail"), soll ein für alle mal beseitigt werden. Kashkari nannte zwar keine Namen, es ist aber klar, dass dies das Ende von Citibank, Bank of America, JP Morgan Chase, Goldman Sachs und Morgan Stanley bedeuten würde. Mindestens.

Nun fordern seit der letzten Finanzkrise viele die Zerschlagung der Banken, besonders auf der politischen Linken. Kashkari aber ist kein Linker, sondern ein moderater Republikaner. Und er versteht etwas von der Materie. Von 2006 an war er Mitarbeiter des damaligen US-Finanzministers Henry Paulson. Im Oktober 2008 beauftragte ihn Paulson mit dem Management des "Troubled Asset Relief Program" (Tarp) . Das ursprünglich mit 700 Milliarden Dollar dotierte Programm zur Rettung der amerikanischen Banken war so erfolgreich, dass die Steuerzahler schließlich mit Gewinn aus der Sache herauskamen.

Kurz nachdem Barack Obama 2009 sein Amt als Präsident angetreten hatte, kündigte Kashkari und versuchte sich im Privatsektor. Er heuerte beim Vermögensverwalter Pimco an, einer Tochter der Münchner Allianz. Bereits 2013 verließ er die Firma aber wieder, um eine politische Karriere vorzubereiten. Er bewarb sich 2014 um das Amt des Gouverneurs von Kalifornien. Bei den Vorwahlen besiegte er zwar einen von der Tea Party unterstützten Republikaner, unterlag dann aber dem Demokraten Jerry Brown.

Neel Kashkaris Karriere ist eine nicht untypische amerikanische Einwanderergeschichte. Er wurde 1973 in Ohio als Sohn von Migranten aus Kaschmir geboren. Seine Eltern, eine Ärztin und ein Professor für Ingenieurwesen, waren eher sozialdemokratisch eingestellt, er aber begeisterte sich für den Kapitalismus und trat den Republikanern bei. Er wurde Ingenieur, arbeitete beim Raumfahrt- und Rüstungskonzern TRW, schloss ein Wirtschaftsstudium ab und heuerte bei Goldman Sachs an, ehe er zum Finanzministerium wechselte.

Die offizielle Politik der Federal Reserve sah Kashkari bisher ziemlich kritisch. Der Kauf von Wertpapieren zur Stützung der Konjunktur wirke wie "Morphium", sagte er einmal. Deshalb werden seine Voten interessiert verfolgt werden, wenn er am 1. Januar 2017 turnusmäßig stimmberechtigtes Mitglied im Offenmarktausschuss der Fed wird. Fürs Erste hat er klargemacht, dass er es mit "Too big to fail" ernst meint: Er will auf einer Reihe von Symposien konkrete Ergebnisse erzielen; eine Website, auf der jeder mitdiskutieren kann, gibt es schon.

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