Nahaufnahme:Konservativer Hippie

Nahaufnahme: "Ich bin ein ungenierter, vollständiger Marktwirtschafts- und Kapitalismus-Enthusiast." John Mackey.

"Ich bin ein ungenierter, vollständiger Marktwirtschafts- und Kapitalismus-Enthusiast." John Mackey.

(Foto: PR)

Whole-Foods-Gründer John Mackey hat ein Gewichtsproblem: Viele Produkte sind zu teuer, weil sie offenbar falsch abgewogen wurden.

Von Kathrin Werner

John Mackey hat sich direkt davor positioniert: vor dem Regal des Anstoßes. Hinter dem Gründer der Biosupermarktkette Whole Foods und seinem Co-Chef Walter Robb türmen sich die Plastik-Becher voller Wassermelonen-Stückchen und Mischobst-Scheiben, für die man gut zehn Dollar bezahlt. Viel zu viel, wie sich jetzt herausstellt. Mackey, im exzentrisch gemusterten Kurzarm-Hemd, schaut betreten im Youtube-Entschuldigungsvideo. "Wir haben ein paar Fehler gemacht", sagt Robb. "Diese Fehler haben mit den frischen Lebensmitteln zu tun, wenn wir Sandwiches belegen, Säfte pressen oder Obst schneiden", sagt Mackey. "Es gibt einen sehr, sehr kleinen Prozentsatz an Abwiege-Fehlern." Die New Yorker Verbraucherschutzbehörde DCA sieht das anders: Sie hält die Fehler für systematisch, Whole Foods knöpfe seinen Kunden im großen Stil zu viel Geld ab. Von 80 Produkten, die die Beamten kürzlich gewogen haben, hatte keines die richtige Gewichtsangabe. Für Hühnchen-Schnitzel zahlten Kunden im Schnitt 4,13 Dollar zu viel. Ein Paket Kokos-Garnelen war 14,84 Dollar zu teuer. "Unsere Inspektoren sagen, dass dies der schlimmste Fall von falscher Beschriftung ihrer Karriere war", sagt DCA-Chefin Julie Menin. In Kalifornien hat Whole Foods vor ein paar Jahren bei einer Untersuchung genauso schlecht abgeschnitten. Die Kundschaft ist empört, im Internet gibt es Boykott-Aufrufe.

Whole Foods ist ein Phänomen. Mackey hat seit 1980 aus einem Bioladen im texanischen Austin mit 19 Mitarbeitern eine der erfolgreichsten Supermarktketten der Vereinigten Staaten aufgebaut, heute gibt es 422 Filialen. Fast alles ist bio und stammt aus der jeweiligen Region. In New Yorker Whole-Foods-Läden gibt es schrumpelige Biokartoffeln aus Long Island, ein daumengroßes Stück Bio-Blauschimmelkäse für 12 Dollar aus dem Hudson Valley, vegetarische Würste und Eier von glücklichen Hühnern. Amerikaner witzeln, es müsse eigentlich "Whole Paycheck" heißen - ganzer Monatslohn. Inzwischen ist die Kette so beliebt, dass Makler in Wohnungsanzeigen mit ihrer Nähe werben. Anwohner klagen, dass um ein neues Whole Foods herum die Mieten steigen. Das Unternehmen ist an der Börse und kommt auf einen Jahresumsatz von 14,2 Milliarden Dollar. Mackey ist Kapitalist aus Überzeugung. "Ich bin ein ungenierter, vollständiger Marktwirtschafts- und Kapitalismus-Enthusiast", sagt der 61-Jährige. "Ich halte Unternehmen für im Kern heldenhaft." Er ist Mitbegründer des Conscious Capitalism Movement und hat darüber ein Buch geschrieben. Die Bewegung fordert Unternehmenschefs dazu auf, Klarheit über den Existenzgrund ihrer Firma und deren Rolle auf dem Weltmarkt zu gewinnen und Handel zu betreiben, der auf ethischem Bewusstsein beruht und weder Umwelt noch Menschen schadet. Mackey glaubt, dass es Unternehmen nicht nur um Gewinnmaximierung gehen sollte. Seit 2006 arbeitet er nur noch für einen symbolischen Dollar als Gehalt. Sein Studium an der University of Texas hat der Yoga-Fan abgebrochen, 1977 zog er in eine vegetarisch lebende Wohngemeinschaft, angeblich, um interessante Frauen kennenzulernen. Die Zeitung USA Today nennt ihn einen "konservativen Hippie". Denn er hat auch die andere Seite: Er hasst Gewerkschaften, Krankenversicherungen und glaubt, dass der Klimawandel nicht so schlimm ist. 2007 wurde bekannt, dass Mackey im Internet über Konkurrenten hergezogen war. Der Verwaltungsrat stellte ihm daher einen Co-Chef zur Seite.

Der Gründer und der Co-Chef geloben jetzt, dass sie den Mitarbeitern beibringen wollen, wie man richtig abwiegt. Die Fehler seien nicht mit Absicht passiert, sagt Mackey. Denn, so der Unternehmer: "Wir wollen perfekt sein."

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