Nahaufnahme:Kein Zurück. Versprochen

Xavier Rolet

"Unter keinen Umständen werde ich wieder das Amt des Vorstandsvorsitzenden oder das eines Aufsichtsratsmitglieds übernehmen." Xavier Rolet.

(Foto: Reuters)

Die Londoner Börse verliert ihren Vorstandschef Xavier Rolet. Dessen Nachfolger wird den Posten nur übergangsweise besetzen. Damit endet ein bizarrer Führungsstreit.

Von Björn Finke

Es ist das Ende eines bizarren Führungsstreits: Am Mittwoch verkündete die Börse London Stock Exchange (LSE), dass ihr Chef Xavier Rolet sofort abtrete. Der Franzose verspricht in der ungewöhnlichen Mitteilung, es sei ein Abschied für immer. "Unter keinen Umständen werde ich wieder das Amt des Vorstandsvorsitzenden oder das eines Aufsichtsratsmitglieds übernehmen", wird der 58-Jährige zitiert. Sein Nachfolger ist übergangsweise Finanzvorstand David Warren. Auch der Chairman, also Aufsichtsratschef, Donald Brydon verlässt den Konzern. Er werde sich bei der Hauptversammlung 2019 nicht mehr zur Wahl stellen, sagte der 72-Jährige.

Rolet, ein Absolvent der Columbia Business School in New York, hätte ursprünglich ohnehin in diesem Jahr dem Börsenbetreiber Good-bye sagen sollen. Deutsche Börse und LSE wollten fusionieren, und das neue Unternehmen sollte der inzwischen zurückgetretene Börsenchef Carsten Kengeter leiten. Doch als das Geschäft Anfang des Jahres platzt, sagt Rolet flapsig: "Es sieht so aus, als sei mein Ruhestand verschoben worden." Im Juni stellt er die Strategie für die kommenden Jahre vor. Im Oktober verkündet die LSE dann völlig überraschend, dass Rolet den Handelsplatz, den er seit 2009 geführt hat, Ende 2018 verlassen werde. Die Mitteilung ist voll des Lobes für den Manager.

Christopher Hohn glaubt den warmen Worten aber nicht. Der Engländer ist ein sogenannter aktivistischer Investor. Er kauft Anteile an Firmen und versucht danach, die Führung zu einem Strategieschwenk zu zwingen. Im Jahr 2005 vereitelte er als Aktionär der Deutschen Börse deren schon damals geplanten Kauf der LSE. Hohns Fonds TCI hält fünf Prozent der LSE-Anteile, und der Manager ist sehr angetan von Rolet. In dessen Amtszeit stieg der Aktienkurs um mehr als das Siebzehnfache. Der Investor vermutet, dass Aufsichtsratschef Brydon und andere Board-Mitglieder Rolet zum Rücktritt gezwungen haben. Wie er darauf kommt, verrät Hohn nicht, und der Franzose darf sich wegen Verschwiegenheitsklauseln nicht dazu äußern.

Hohn verlangte, eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Er wollte andere große Anteilseigner davon überzeugen, bei diesem Treffen Brydon abzuwählen und Rolets Abschied Ende 2018 zu verhindern. In dieser Woche wollte die LSE einen Termin für das Treffen bekannt geben und eine schriftliche Erklärung zu den Gründen der Trennung liefern. Britische Medien berichten, dass Rolets ruppiger Umgang mit anderen Managern und dem Aufsichtsrat als Ursache genannt werden sollte. Da der Franzose nun sofort abtritt und eine Rückkehr ausschließt, und da auch Brydon 2019 hinwirft, gibt es keinen Anlass mehr für die Hauptversammlung.

Die Querelen kommen in turbulenten Zeiten. Nach dem Brexit könnte die Londoner Börse das Geschäft mit dem Euro-Clearing verlieren, dem Abwickeln des Handels mit Wertpapieren, die auf Euro lauten. Außerdem wird die LSE immer wieder als Übernahmeziel für die US-Börse Intercontinental Exchange ins Spiel gebracht.

Rolet zerstritt sich bereits mit Brydons Vorgänger als Chairman, Chris Gibson-Smith. Bei dessen Abschied 2015 sprachen die beiden nicht mehr miteinander. Der Franzose begann seine Karriere bei der US-Bank Goldman Sachs und war vor seinem Wechsel zur LSE Manager bei Lehman Brothers, der Bank, die in der Finanzkrise pleiteging. Als Börsenchef vergrößerte er das Unternehmen mit zahlreichen Zukäufen. In seiner Freizeit fährt Rolet Rallye, er nahm mehrmals am legendären Paris-Dakar-Rennen teil. Zudem besitzt Rolet ein Weingut in der Provence, das preisgekrönte Tropfen unter dem Namen Chêne Bleu verkauft, blaue Eiche. Für seine Reben wird er nun mehr Zeit haben.

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