Nahaufnahme:In Zeiten höchster Not

Nahaufnahme: Kommt in der Krise zur italienischen Traditionsbank Monte dei Paschi zurück: Marco Morelli.

Kommt in der Krise zur italienischen Traditionsbank Monte dei Paschi zurück: Marco Morelli.

(Foto: Reuters)

Hinter dieser Berufung steckt die italienische Regierung: Der Römer Marco Morelli soll mitten in der Krise die älteste Bank der Welt, die Monte dei Paschi, retten.

Von Ulrike Sauer

Sein Ruf ist das Zeichen höchster Not. Marco Morelli tritt in Siena bei Monte dei Paschi an, um noch einmal Zeit für das älteste Geldhaus der Welt herauszuschlagen. Der Blitzwechsel an der Spitze der Bank soll einen Aufschub für ihre gewagte Kapitalerhöhung bringen. Unter dem Druck der EZB hatte sich die Bank Ende Juli zu einer Radikalkur aufgerafft. Bis Jahresende wollte sie 27,7 Milliarden Euro faule Kredite losschlagen und bei Anlegern fünf Milliarden Euro einsammeln, um die Kapitallücke zustopfen. Wenige Wochen später ist der riskante Plan Makulatur. Da kam der Abgang des langjährigen Chefs Fabrizio Viola gerade recht als Vorwand, die Rettung zu verschieben. Ein Neuer soll das Ding nun schaukeln, nur eben später. Wobei Morelli, 54, gar kein Neuer ist. Der Römer war bis vor sechs Jahren in der zweiten Reihe der Monte dei Paschi tätig. Ausgerechnet in der Zeit, als der Niedergang der drittgrößten italienischen Bank einsetzte. Nun kehrt der international erfahrene Manager, der zuletzt das Italien-Geschäft der Bank of America Merrill Lynch geleitet hat, nach Siena zurück. In einer dramatisch gewandelten Situation muss er nun die Kapitalerhöhung durchbringen. Damit vertraut ist Morelli, denn die Bank of America gehört dem Konsortium an, das die Kapitalaufstockung unter der Führung von JP Morgan organisiert.

Zwingend macht den Aufschub das spärliche Interesse der Investoren. Kaum jemand ist bereit, den dritten Rettungsversuch zu unterstützen. Die Monte dei Paschi hat den Anlegern 2014 und 2015 bereits acht Milliarden Euro abgenommen. Ihr Börsenwert ist auf 670 Millionen Euro geschmolzen. Die Hoffnung hat sich zerschlagen, dass Anleger erneut zugreifen, solange die Zukunft so unsicher ist: Der Volksentscheid über die Verfassungsreform wird Ende des Jahres über das wichtigste Projekt von Matteo Renzi befinden.

Von seinem beleibten, vollbärtigen Vorgänger hebt sich Morelli mit seinem klassischen Römer-Profil krass ab: schmale Lippen, stahlblaue Augen, die markanten Züge des Marathonläufers. Begonnen hat er als Überflieger. Das Wirtschaftsstudium an der römischen Privathochschule Luiss schloss Morelli mit 22 Jahren ab. Er heuerte beim Beratungsunternehmen KPMG an, wechselte nach Brüssel zur Bank Lambert, später nach London zu UBS und 1994 zu JP Morgan. Mit 45 wurde er der jüngste Vizedirektor der Monte dei Paschi, wo er sechs Jahre blieb.

Hinter seiner Rückkehr steckt die römische Regierung. Das Finanzministerium ist mit vier Prozent der größte Einzelaktionär der Bank. Renzi kann es sich nicht leisten, die Bank ihrem Schicksal zu überlassen. Ihr Zusammenbruch drohte einen Domino-Effekt auszulösen, der die Stabilität der italienischen Finanzbranche gefährden würde. Und der Regierung. Weshalb sich in Europa viele aufmerksame Blicke nach Siena richten.

Bezeichnenderweise stellte sich Morelli bereits am Tag vor seiner Berufung in Frankfurt bei der europäischen Bankenaufsicht vor. Mit dabei soll er ein juristisches Gutachten gehabt haben, das einen Makel in seinem Werdegang auslöscht. Die italienische Zentralbank brummte ihm 2013 ein Bußgeld von 208 000 Euro wegen "mangelnder oder irreführender Information der Aufsichtsbehörde" auf. Es ging um ein Wertpapier, das von der Monte dei Paschi während der Ära des inzwischen verurteilten Chefs Giuseppe Mussari als Eigenkapital präsentiert wurde, in Wahrheit aber ein Kredit war. Über den Einspruch Morellis wurde noch nicht beschieden. Doch wenige Wochen später stellten die Staatsanwälte ihre Ermittlungen gegen Morelli ein. Sie schilderten ihn als "vehementen Widersacher" Mussaris.

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