Nahaufnahme:Herr der Glaskugel

Nahaufnahme: "Wir glaubten daran, dass es funktionieren würde, aber sonst niemand", sagt Alexander Karp.

"Wir glaubten daran, dass es funktionieren würde, aber sonst niemand", sagt Alexander Karp.

(Foto: Bloomberg)

Wie der einstige Habermas-Student Alexander Karp zum mehrfachen Dollar-Milliardär wurde.

Von Helmut Martin-Jung

Alexander Karp sagt über Alexander Karp: "Er hat nichts Technisches studiert, er hat keinerlei Beziehung zum politischen Apparat oder zur Welt der Unternehmen, seine Eltern sind Hippies." Spricht's, läuft dabei im Gespräch mit Reportern des US-Magazins Forbes wie wild in seinem Büro herum und stellt die Frage, die sich schon viele gestellt haben, selber: Wie es bloß sein konnte, dass dieser Mensch Mitgründer und seit 2005 auch Chef einer Firma ist und es diese noch immer gibt.

Karps Datenanalyse-Firma Palantir ist nach der jüngsten Finanzierungsrunde inzwischen 20 Milliarden Dollar wert und er selbst das, was er eigentlich nie sein wollte: Milliardär. Und ein Mensch, den viele so hassen, dass er ständig von Bodyguards geschützt wird.

Auf die selbstgestellte Frage gibt es zwei Antworten. Karp, 47, den sie in der Firma nur Dr. Karp nennen, ist erstens genauso schlau und abgedreht wie er aussieht mit seinen über der Stirn zurückweichenden, aber nach hinten sprießenden wilden Locken. In Philadelphia aufgewachsen, zog es ihn nach dem Jurastudium in Stanford nach Frankfurt, wo er bei Jürgen Habermas studierte und einen Doktor in Philosophie machte. Kurz nach der Promotion investierte er eine Erbschaft in Start-ups und in Aktien - mit derartigem Erfolg, dass sich einige Superreiche an ihn wandten. Er gründete in London die Caedmon Group, der es nicht gerade schlecht ging. So hätte es bleiben können. Doch da war noch - zweitens - ein alter Freund.

In Stanford hatte Karp ein Zimmer zusammen mit Peter Thiel geteilt. Der in Deutschland geborene Thiel, heute Star-Investor des Silicon Valley, hatte das Fundament zu seinen Milliarden gelegt, als er den von ihm gegründeten Online-Bezahldienst Paypal 2002 für 1,5 Milliarden Dollar an Ebay verkaufte. Obwohl politisch völlig verschiedener Ansichten, liebten es die beiden, sich aneinander zu reiben: "Wenn wir uns begegneten, ging es sofort zur Sache - wie zwei wilde Tiere auf dem gleichen Pfad", sagt Karp. Als Thiel dabei war, eine neue Firma zu gründen und nach jemandem suchte, der die Ideen seiner Computer-Freaks normalen Menschen verklickern konnte, erinnerte er sich an Karp.

Die Geschäftsidee war - wie Karp gerne süffisant erzählt - ziemlich bizarr. Das Tech-Unternehmen aus Palo Alto im Silicon Valley wollte mit einer Technik, die Paypal benutzt hatte, um Finanztransaktionen abzusichern, nach Terroristen fahnden. Das klingt heute schon weitaus weniger seltsam als vor zehn Jahren, als sie mit ihrer Idee bei einem Risiko-Kapitalgeber nach dem anderen abblitzten: "Wir glaubten daran, dass es funktionieren würde", erzählte Karp Jahre später dem Technik-Magazin Wired, "aber sonst niemand."

Schließlich zeigten sie in Washington Geheimdienstmitarbeitern unterer Ränge ihre Software. Analysten waren das, die in mühevoller Kleinarbeit versuchten, Zusammenhänge herzustellen, Puzzleteile zusammenzusetzen. Nach und nach erhielten sie Zugang zu höheren Chargen. Und die zeigten sich bald begeistert. Die Software von Palantir konnte in Daten völlig unterschiedlicher Quellen Verbindungen finden, die ein Mensch vermutlich nie entdeckt hätte oder nicht schnell genug.

Die US-Geheimdienste und die Polizei sind treue Kunden, auch Banken und Versicherungen stöbern mit Hilfe von Palantirs Software in ihren Datensammlungen. Kritikern gilt sie als das perfekte Werkzeug zur Massenüberwachung. Karp sagt, die Firma lehne 20 Prozent der Anfragen aus moralischen Gründen ab. Es ist eben wie mit dem Gegenstand, von dem die Firma ihren Namen hat, die magische Glaskugel aus Tolkiens "Herr der Ringe". Sie verschafft tiefe Einblicke, birgt aber auch große Gefahr.

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