Diplomatie spielte mal eine große Rolle im Leben der Amerikanerin Tuesday Bassen. "Als Schülerin wollte ich anfangs Diplomatin werden, weil Sprachwissenschaften ein kreatives Gebiet sind." Tatsächlich aber ist Bassen, 26, Illustratorin geworden, sie entwirft T-Shirts mit griffigen Aufschriften, Aufnäher und andere coole Dinge für "badass girls", knallharte Mädels. Die Diplomatie ist ihr offenbar abhandengekommen: Ruft man ihre Webseite auf, verändert sich der eigene Mauszeiger in eine Faust mit hochgestrecktem Mittelfinger.
Diese Attitüde kann Bassen aktuell helfen: Die Modekette Zara hat ihre Designs gestohlen, so lautet zumindest der Vorwurf der Künstlerin. Auf Twitter veröffentlichte Bassen mehrere Fotos, in denen sie ihre eigenen Produkte ("mine") neben die des spanischen Textilhändlers stellte ("Zara's copy"). Und die Ähnlichkeit ist frappierend.
Bassen erklärt, sie sei im Laufe des Jahres durch Fans auf die Kopien aufmerksam gemacht worden, ihr Anwalt habe daraufhin Kontakt zu Zara aufgenommen. Doch die herablassende Antwort des Mode-Riesen brachte sie dermaßen in Rage, dass sie sich an ihre knapp 16 000 Follower bei Twitter wandte: "Wisst ihr was? Manchmal ist es übel, ein Künstler zu sein, weil Unternehmen wie Zara dich immer wieder abzocken und es abstreiten."
Das mit der Diplomatie hatte sich für Bassen bereits nach einem Schulaufenthalt in Russland erledigt. In einer verarmten Industriestadt, weit entfernt von der Schönheit von Moskau und St. Petersburg, habe sie der Realität ins Auge geblickt: Diplomatie findet nicht nur in romantischen Ländern statt. "Ich war ein größeres Weichei, als ich gedacht hätte."
Zurück in ihrer Heimat im US-Bundesstaat Nebraska, schrieb sich Bassen an einer Highschool mit künstlerischem Schwerpunkt ein: "Kunst hat schon immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt, meine Mutter hat zwei Töpfereien. Ich hatte nur nicht gedacht, dass ich daraus einen Beruf machen könnte." Nach dem Abschluss studierte sie Kunst und Design in Minneapolis und zog nach New York, wo sie sich mit Illustrationen für Magazine und Werbeagenturen durchschlug.
Seit knapp zwei Jahren lebt Bassen in Los Angeles, zusammen mit drei Dackeln und einer blinden, einzähnigen Katze. Ihre Produkte, etwa eine Wollmütze mit der Aufschrift "Ugly Girl Gang" für 30 Dollar oder ein Aufnäher in Form eines Radiergummis mit der Aufschrift "Radier dich aus" für zehn Dollar, verschickt sie über ihren Onlineshop. Im August kommt ein Ladengeschäft in Chinatown in Los Angeles hinzu. Der Radiergummi-Sticker ist eines der vermutlich plagiierten Motive, die allesamt im Bassens Onlineshop zwischen anderen lustig-bunten Artikeln zu finden sind - wie das Tagebuch mit der Aufschrift "Bleib draußen", der Lolli in Herzform und der Wimpel "Girls" - "Hebt eure Fahne für all die Ladies da draußen", heißt es dazu in der Produktbeschreibung.
Die Anwälte von Zara wiesen den Plagiatsvorwurf zurück, die Entwürfe der Illustratorin seien zu einfach, um unterscheidbar zu sein. Bei durchschnittlich 98 Millionen Klicks im Monat auf der Zara-Webseite verbinde außerdem kaum jemand die Motive mit Bassens Arbeit.
Bassen will den Kampf gegen die Modekette weiterführen, stellvertretend für alle unabhängigen Künstler, auch wenn sie allein der Briefverkehr ihres Anwalts 2000 Euro gekostet habe: "Mein nächster Schritt ist, die Lizenzierung meiner Produkte abzuschließen." Auf Twitter veröffentlichte die "Ex-Diplomatin" bereits im Juni das Bewegtbildchen einer Frau in antiker Kampfkleidung, die einen Krieger zu Boden schlägt, Bassens Kommentar dazu: "Ich."