Nahaufnahme:Finde den Strom

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„Tankstellen für Benzin und Diesel gibt es fast an jeder Straßenecke. Ladesäulen muss man dagegen oft erst suchen.“ Ralf Bremeier (Foto: oh)

Ralf Bremeier hat eine App für E-Auto-Fahrer entwickelt. Das soll die Suche nach einer Ladesäule erleichtern.

Von Silvia Liebrich

Über E-Autos wird in Deutschland viel geredet, aber kaum jemand will ein stromgetriebenes Fahrzeug kaufen. Vorurteile gibt es viele, manche treffen zu, viele nicht. Das hat Ralf Bremeier inzwischen gelernt. Er gehört zu denen, die weniger reden und lieber einfach mal machen. Seit gut zehn Monaten fährt er E-Auto, mit wachsender Begeisterung. "Ich habe einfach Spaß an der Technik." Und nicht nur daran. Er hat sich auch zum Ziel gesetzt, ein großes Problem der Stromautofahrer zu lösen: die Frage nach dem Weg zur nächsten Zapfsäule. "Tankstellen für Benzin und Diesel gibt es fast an jeder Straßenecke. Ladesäulen muss man dagegen oft erst suchen."

Weil er keine geeignete App im Netz fand, hat Bremeier kurzerhand selbst eine entwickelt: Next Plug. Sucht man im Google Play Store unter dem Stichwort "Ladestationen Elektroautos", taucht Bremeiers Programm an erster Stelle auf, versehen mit Bestnoten von Nutzern. 70 000 Ladepunkte in 45 Ländern, 30 000 davon in Deutschland, können damit über Smartphone oder Tablet abgerufen werden. Bremeier hat das geschafft, was Autoherstellern offenbar nicht richtig gelingen will: eine leicht anwendbare und zuverlässige Zapfsäulen-Such-Software.

Hinter Next Plug verbirgt sich nicht etwa ein mit Risikokapital finanziertes Start-up, wie sonst oft üblich, sondern ein Privatmann mit einem ganz besonderen Hobby. Hauptberuflich ist Bremeier Ingenieur. Der 55-Jährige lebt in der Nähe von Hannover, ist fest angestellt bei einem großen Zulieferer der Automobilindustrie und entwickelt tagsüber Luftfedersysteme für Autos und Lastwagen. In seiner Freizeit, abends und an den Wochenenden, feilt er an seiner App. Erste Kaufinteressenten haben nach seinen Angaben schon angefragt. "Aber ich habe mich entschlossen, die App selbst weiterzuentwickeln, bald werden es 10 000 User sein, und ich bekomme viel positives Feedback", sagt er. Das allein schon motiviere ihn zum Weitermachen. Vor einem Jahr hätte er sich das noch nicht vorstellen können, meint er. Zur Arbeit fährt er gut 160 Kilometer hin und zurück, aber auch Langstrecken scheut er nicht. Im Sommer ist er bei einer E-Auto-Rallye um den Ammersee in Bayern mitgefahren.

Von Anfang an hat sich Bremeier jedoch darüber geärgert, wie schwierig es sein kann, unterwegs Strom zu laden, weil die notwendigen Informationen fehlen. Er kaufte sich ein Buch - App-Programmieren für Einsteiger - und legte los. Nach drei Monaten hat er die erste Version fertiggestellt: Sie zeigt nicht nur an, wo die nächste Station zu finden ist, sondern auch, ob sie gerade frei, besetzt oder gar defekt ist. Außerdem wird genau beschrieben, welche Steckertypen vorhanden sind und wie lange das Laden dauert. Für E-Auto-Fahrer sind dies wichtige Informationen, denn es fehlt eine einheitliche Infrastruktur. Autohersteller setzen auf verschiedene Steckertypen, auch bei den Ladesäulen gibt es große Unterschiede. Passt beides nicht zusammen, gibt es keinen Strom fürs Auto.

Der Erfolg von Bremeiers App beruht darauf, dass sie von E-Auto-Fahrern aktualisiert wird. Funktioniert eine Station nicht oder geht eine neue in Betrieb, melden Nutzer dies, und Bremeier speist es ins System ein. Next Plug ist eine App von Nutzern für Nutzer. Wichtige Informationen kommen auch von der Plattform für Elektromobilität GoingElectric.de. Seit 2016 müssen öffentlich zugängliche Ladestationen an die Bundesnetzagentur gemeldet werden, doch das erfasst nicht alle Anlagen, auch die auf privatem Grund fehlen oft. Bremeier selbst hat seine App in den Bordcomputer seines BMW eingespeist, dazu war allerdings die Unterstützung des Herstellers nötig. "Standard ist das bislang nicht, aber das muss ja nicht so bleiben", meint der App-Entwickler.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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