Nahaufnahme:Eschborn ruft

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Die Deutsche Börse will offenbar HVB-Chef Theo Weimer als neuen Vorstandsvorsitzenden.

Von Stephan Radomsky und Jan Willmroth

Noch sind es nur Gerüchte, aber es würde schon ziemlich gut passen. Theodor Weimer, derzeit Chef der Hypo-Vereinsbank (HVB) in München, sei der Favorit für den Chefposten bei der krisengeschüttelten Deutschen Börse, meldeten mehrere Medien am Mittwoch unter Berufung auf Eingeweihte. Eine Bestätigung dafür gab es - wie in solchen Fällen üblich - nicht, weder von der HVB noch von der Deutschen Börse. Aber wie gesagt: Es würde passen.

Dass die HVB Weimer nicht mehr genug sei, darüber wird in München und Frankfurt schon länger spekuliert. Dass er gern Chef eines Dax-Konzerns wäre. Immer wieder tauchte sein Name auf, etwa wenn es um den Chefposten bei der Commerzbank ging. Daraus ist nie etwas geworden. Aber diesmal könnte es anders kommen.

Die HVB ist die Nummer drei unter den privaten Banken in Deutschland und damit durchaus eine Größe in der Branche. Weimer ist also bekannt - und er kennt sich aus, sowohl im politischen Berlin als auch bei der Finanzaufsicht Bafin. Zugleich ist die HVB aber auch eine hundertprozentige Tochter des italienischen Finanzkonzerns Unicredit, der Chef in München immer nur Statthalter der Mailänder Zentrale. Seit anderthalb Jahren regiert dort der Franzose Jean Pierre Mustier durch, und seither ist es um Weimer auffällig ruhig: Keine Pressekonferenzen mehr, kaum Interviews, in der Öffentlichkeit steht fast nur noch der Unicredit-Chef.

Zwar hatte Weimer zuletzt seinen Ende des Jahres auslaufenden Vertrag noch einmal um drei Jahre verlängert. Doch bei der Deutschen Börse könnte der 57-Jährige nun eine Aufgabe nach seinem Geschmack finden. Mit gut 5000 Mitarbeitern ist sie zwar der kleinste Dax-Konzern und steht vergleichsweise selten im öffentlichen Fokus. Seit Monaten aber herrscht in der Zentrale in Eschborn Aufruhr: Die Fusion mit dem Londoner Börsenbetreiber LSE ist geplatzt, Carsten Kengeter ist nach Ermittlungen wegen mutmaßlicher Insidergeschäfte nur noch Chef auf Abruf. Ende Oktober hatte er den Rücktritt zum Jahresende eingereicht - und damit Aufsichtsratschef Joachim Faber kalt erwischt.

Der steht nun doppelt unter Druck: Weil er bis zuletzt zu Kengeter gehalten hatte und jetzt schnell einen passenden Nachfolger als Börsen-Chef braucht. Zuletzt hatte der Konzern die Gewinnziele für das laufende Geschäftsjahr kassiert, zugleich zieht die internationale Konkurrenz davon. Eine Interimslösung will Faber deshalb nicht, es soll gleich der Richtige her: ein deutscher Muttersprachler, der schon einmal ein großes Unternehmen geleitet hat und der "das regulatorische Umfeld in hohem Maße betreuen kann", wie es hieß.

All das trifft auf Weimer zu - und als ehemaliger Unternehmensberater und Investmentbanker kennt er sich mit schwierigen Fällen aus. So hatte er schon vor Mustiers Zeit begonnen, die HVB radikal umzukrempeln, hatte Tausende Stellen gestrichen, Filialen geschlossen und die Bank erfolgreich aufs Geschäft mit Firmen- und wohlhabenden Privatkunden getrimmt.

Neben dem Fachlichen spräche zudem wohl auch das Private für Weimer. Obwohl er schon seit einem Jahrzehnt in München arbeitet, lebt seine Familie nach wie vor in Hessen. Das könnte den Job in Eschborn zusätzlich interessant machen. Dort dürfte er zudem alle wichtigen Akteure schon lange kennen - aus München. So war Faber Topmanager beim Versicherungskonzern Allianz, außerdem ist Ann-Kristin Achleitner im Aufsichtsrat an der Suche beteiligt. Gemeinsam mit ihrem Mann Paul - heute Chefaufseher der Deutschen Bank und zuvor langjähriger Finanzchef der Allianz - gilt sie als eine der mächtigsten Strippenzieherinnen der deutschen Wirtschaft, ebenso von München aus. Es würde eben passen.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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