Nahaufnahme:Es geht um die Zukunft

Nahaufnahme: "Man kann sich an die Regeln halten, aber es gibt keinen Markt für diese Regeln." - Travis Kalanick

"Man kann sich an die Regeln halten, aber es gibt keinen Markt für diese Regeln." - Travis Kalanick

(Foto: Bloomberg)

Uber-Chef Travis Kalanick hofft auf den EuGH. Denn die Richter wollen klären, welche Spielregeln künftig für den Fahrten-Vermittler in Europa gelten sollen.

Von Jan Willmroth

Uber und Europa, das ist eine leidvolle Beziehung. Sie dauert noch nicht lang, wenige Jahre, aber sie ist schon voller Geschichten, von Erzählungen über Gewalt auf den Straßen, über Zorn und Angst, vor allem aber über Gerichtsverfahren. Wo immer Travis Kalanick Autos auf die Straßen schickte, musste er mit Konflikten rechnen, sogar mit Hass. Das fing in den USA an, wo er den Fahrtvermittler 2009 gründete, es setzte sich fort auf allen sechs Kontinenten und in vielen der mehr als 300 Städte, in denen Fahrgäste mit der Uber-App heute ein Auto bestellen können.

Kalanick beobachtete aus Kalifornien, wie deutsche und spanische Gerichte seine Dienste verbaten, wie Ermittler mehrfach die Uber-Zentrale in Amsterdam durchsuchten und den Chefs in Frankreich Gefängnis angedroht wurde, wie Taxifahrer in französischen Städten ihre Uber-Konkurrenten verprügelten und deren Autos umwarfen. Wie gut, dass Kalanick nicht nur Software-Entwickler ist, der im Alter von elf Jahren mit dem Programmieren begann, sondern inzwischen auch ziemlich viel Erfahrung mit Gerichtsprozessen hat.

Denn seit diesem Dienstag geht es am dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) um nicht weniger als die Zukunft Ubers in der Europäischen Union, einem der wichtigsten Märkte für den Fahrtvermittler. Mit der EuGH-Anhörung beginnt ein Verfahren, das alle anderen Prozesse überlagert, die Uber bislang in der EU geführt hat und führt. Die Richter sollen knifflige Frage klären: Handelt es sich bei Uber nur um einen Plattform-Dienst, der via App Fahrgäste und Fahrer zusammenbringt? Dann wäre das Unternehmen ein reiner Technologieanbieter, müsste etwaige Taxi-Regulierungen nicht beachten und könnte zurückkehren zu den günstigen Angeboten wie seinerzeit Uber Pop in Deutschland, bei dem private Fahrer mit ihren eigenen Autos Fahrgäste chauffierten.

Oder ist Uber doch ein Transportdienst? Dann müsste sich Kalanicks Firma an europäische und nationale Standards zum Arbeits- und Arbeitnehmerschutz halten und müsste in den einzelnen Ländern die Regeln für den Taxiverkehr beachten. Es ist mithin nicht sicher, dass am Ende eine Entweder-oder-Entscheidung steht: Der EuGH könnte feststellen, dass Uber sowohl Elemente eines Transportunternehmens als auch eines "Dienstes der Informationsgesellschaft" enthält, wie digitale Dienstleistungen im EU-Jargon heißen.

Kalanick kann sich von dem Verfahren erhoffen, dass viele alte Regeln bald nicht mehr gelten werden. Sollte das Urteil deutlich zugunsten Ubers ausgehen, wäre der Wettbewerb um Fahrgäste in europäischen Städten völlig neu eröffnet. "Man kann sich an die Regeln halten", sagte Kalanick im Sommer in Berlin, "aber es gibt keinen Markt für diese Regeln." Vorschriften wie im deutschen Personenbeförderungsgesetz sind für ihn ein Ding der Vergangenheit, das betont er bei jeder Gelegenheit. Inzwischen hält sich Uber in Deutschland zwar daran, aber eben nicht freiwillig.

Der Ursprung des EuGH-Verfahrens liegt in einem Prozess in Barcelona, wo ein lokaler Taxiverband Uber verklagt hatte. Der zuständige Richter hatte den Fall im Juli 2015 zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof verwiesen und damit die Grundsatzfrage aufgeworfen, wie Uber nach europäischem Recht zu behandeln sei. Nun befassen sich in Luxemburg 15 Richter mit dem Fall; mit einem Urteil ist erfahrungsgemäß erst in einigen Monaten zu rechnen. Zwischenzeitlich haben Uber und interessierte Mitgliedstaaten Zeit, ihre Argumente vorzubringen. Travis Kalanick hofft, bald sein Versprechen einlösen zu können, dass es eines Tages günstiger sein wird, einen Service wie Uber zu nutzen, als ein eigenes Auto zu besitzen.

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