Nahaufnahme:Ende in Sicht

Nahaufnahme: "Man muss sich dieser Aufgabe stellen." - Stefan Ermisch.

"Man muss sich dieser Aufgabe stellen." - Stefan Ermisch.

(Foto: PR)

Als neuer Chef der HSH-Nordbank muss Stefan Ermisch das Aus abwenden. Die mit Steuergeld gerettete Bank braucht einen Käufer - so verlangt es die EU-Kommission. Gelingt das nicht, droht ihr die Abwicklung.

Von Meike Schreiber

Stefan Ermisch ist ein Ausdauertyp - zumindest beim Sport. Wenn er Zeit hat, geht er am liebsten Bergsteigen oder auf ausgedehnte Skitouren. Nicht nur in den Alpen, manchmal sogar in Patagonien. Doch gegen das, was Ermisch im neuen Job erwartet, sind die Klettertouren eher Spaziergänge. Zumal es weniger darum geht, den nächsten Gipfel zu besteigen. Sondern im schlimmsten Fall darum, den extrem schweren Abstieg zu bewältigen.

Denn am heutigen Donnerstag wird der 50-Jährige die Führung der HSH Nordbank übernehmen. Noch-Chef Constantin von Oesterreich wird auf der Bilanzpressekonferenz in Hamburg an seinen Stellvertreter übergeben und in Rente gehen.

Zwar wird Oesterreich für 2015 noch einmal einen operativen Gewinn präsentieren und das Neugeschäft der Bank anpreisen. Das alles aber kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die HSH Nordbank so etwas wie die Untote des deutschen Bankgewerbes ist. Die Steuerzahler in Hamburg und Schleswig-Holstein mussten die Bank in der Finanzkrise retten, danach schleppte sie sich von Skandal zu Skandal, stets auf der Suche nach einem tragfähigen Geschäftsmodell. Übrig geblieben ist eine gewinnschwache, dünn kapitalisierte Landesbank mit Schwerpunkt auf der Schifffahrt.

Die aber muss Stefan Ermisch nun nicht einfach nur aus der Misere führen, sondern auch noch verkaufen und zwar bis allerspätestens zum 28. Februar 2018 und überdies so, dass sich dabei die Verluste für die staatlichen Eigentümer in Grenzen halten. Die EU-Wettbewerbsbehörde verlangt das als Ausgleich für die staatliche Rettung. Scheitert Ermisch, droht der Bank die Abwicklung. Mehr als 2000 Mitarbeiter wären betroffen. Eine echte Herausforderung.

Als Ermisch 2012 als Finanzvorstand zur HSH kam, war das alles noch nicht abzusehen. Auch damals war die Bank keine Ertragsperle. Lange ließ er sich indes nicht bitten. Zwar hatte es der Manager zuvor in den Vorstand der Unicredit in Mailand geschafft. Bei der BayernLB aber, wo er ab 2008 Finanzvorstand war, schmiss er 2011 wieder hin, weil er dort nicht Vorstandschef wurde. Er suchte also einen Job. Und auch Hamburg war o. k., obwohl Frau und Kinder - bis heute - in München leben.

Dass aber Brüssel den Eignern Hamburg und Schleswig-Holstein sogar den Verkauf der HSH Nordbank diktieren würde, hat sich erst später herausgestellt. "Sonst wäre er wohl nicht nach Hamburg gegangen", sagt einer, der ihn gut kennt. Bei der WestLB hatte die EU gerade vorexerziert, was sie von Staatsbanken hält: Weil sich kein Käufer fand, wird die frühere Skandalbank schlicht abgewickelt.

Das droht nun auch der HSH: Nicht zuletzt liegt das an den Schifffahrtsmärkten, die sich auch im Jahr acht der Krise nicht erholen wollen. Die Bank wird vor dem Verkauf einen Teil der Schiffskredite in einer Bad Bank abladen können, rund 10 Milliarden solcher Darlehen liegen jedoch weiter in der Bilanz. Der Rest sind Kredite an Mittelständler und Immobilienkunden. Käufer stehen dafür nicht unbedingt Schlange.

Zudem muss Ermisch nun zeitgleich Stellen streichen und die restlichen guten Leute motivieren, dabeizubleiben. "Man muss sich dieser Aufgabe stellen", rief er der Belegschaft zu, nachdem ihn der Aufsichtsrat Anfang Mai zum Vorstandschef bestellt hatte. Fragt man Kollegen, dann hat Ermisch dafür offenbar das richtige Händchen. "Er sucht kritische Diskussionen und lässt andere Meinungen zu", sagt einer, der mit ihm gearbeitet hat. Als Rheinländer sei er schnell beim Du, habe kaum Allüren. Selbst Auszeiten fürs Bergsteigen hat sich Ermisch zuletzt noch gelegentlich gegönnt. Die große Herausforderung aber liegt vor der Haustür.

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