Nahaufnahme:Einer für Europa

Nahaufnahme: „Wir wollen, dass in Europa die Anreize für eine solide Finanzpolitik erhalten bleiben.“ Alexander Graf Lambsdorff.

„Wir wollen, dass in Europa die Anreize für eine solide Finanzpolitik erhalten bleiben.“ Alexander Graf Lambsdorff.

(Foto: Getty Images)

Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff wirbt für Europa. Er soll die Sorge nehmen, dass sich die FDP im Bundestag von Europa und vom Euro abwenden könnte.

Von Cerstin Gammelin

Als Europa noch als furchtbar unsexy galt und Versetzungen nach Brüssel als Karrierekiller angesehen wurden, wurde das Sprichwort geboren: Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa. Inzwischen hat sich die Lage gedreht. Immer öfter kommen Politiker aus Brüssel nach Berlin, um in der Bundespolitik Karriere zu machen. Wie jetzt Alexander Graf Lambsdorff, 51.

Der FDP-Politiker, zuletzt Vize-Präsident des EU-Parlaments, gilt nicht nur als Kandidat für das Außenamt. Zugleich ruht eine ganz andere Hoffnung auf dem Sohn des früheren Botschafters Hagen Graf Lambsdorff: Er soll den europäischen Nachbarn die Sorge nehmen, die FDP im Bundestag könnte sich abwenden von Europa und vom Euro. Eine Sorge, die sich aus Wahlversprechen der FDP speist: Griechenland raus aus dem Euro, der Euro-Rettungsfonds ESM gehört abgeschafft.

Lambsdorff will das so nicht stehen lassen. "Es gibt überhaupt keinen Grund, vor uns zu zittern", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Die FDP sei "eine europäische Partei und wir wollen den Erfolg der Europäischen Union". Man solle bitte nicht davon ausgehen, dass die FDP jetzt den ESM abschaffen wolle. Das Versprechen im Wahlprogramm gelte nur "in einer idealen Welt, in der es keinen Rettungsmechanismus geben müsse". Die Realität sei allerdings eine andere, und der ESM deshalb okay.

Eine ganz andere Sache freilich ist das von dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagene Euro-Budget, das die 19 Mitglieder der Währungsunion mit drei bis vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung füllen sollen. Das werde es mit der FDP nicht geben, sagt Lambsdorff. Und er wiederholt damit nicht nur die Position seines Parteichefs Lindner, sondern im Prinzip auch die der Kanzlerin. Angela Merkel hat längst durchblicken lassen, dass sie ein solches Budget nicht will. Das klare Nein der FDP ist deshalb mehr eine Präzisierung der Aussage der Kanzlerin als eine gegenteilige Position.

Den Europa-Fan Lambsdorff ärgert, dass "wir über 400 bis 500 Milliarden Euro reden, die jährlich in das Budget eingezahlt werden müssten, ohne dass wir wissen, woher das Geld kommt, wie es verwendet wird und was es bei den Empfängern politisch auslöst". Würde Berlin dem Vorschlag aus Paris zustimmen, "wiederholten wir den Fehler, den wir beim deutschen Länderfinanzausgleich machen", warnt er. Die Transfers hülfen am Ende nicht, die strukturellen Probleme der Bundesländer zu lösen. Lambsdorff ist überzeugt, dass auch Milliardentransfers zwischen den Euro-Staaten scheitern werden. "Wir wollen stattdessen, dass in Europa die Anreize für eine solide Finanzpolitik erhalten bleiben."

Und was hat er sonst noch vor im Bundestag? Lambsdorff zählt ohne Zögern auf: Angesichts der terroristischen Bedrohung aller EU-Staaten müsse Europol von Berlin aus "zu einem europäischen Landeskriminalamt" gemacht werden. Auch aus der Grenzschutzagentur Frontex müsse ein echtes europäisches Unternehmen werden. Schließlich steht die nächste Europawahl bevor. "Es muss wieder Spitzenkandidaten aller Parteifamilien geben", sagt der FDP-Politiker - auch wenn Merkel das wohl nicht wolle. Und die nach dem Brexit frei werdenden Sitze im Parlament will er über transnationale Listen ausschreiben. Die Bürger können dann zwei Stimmen abgeben, je eine für die nationale Partei und die europäische Parteienfamilie.

Lambsdorff plant seinen Umzug nach Berlin. Mit "einem weinenden und einem lachenden Auge" verlasse er die belgische Hauptstadt, wo er sehr gern gelebt habe. Jetzt müsse er entscheiden, so der Liberale, der nach wie vor auch in Bonn wohnt, ob er sich in der Bundeshauptstadt im Osten, also in Mitte "eine Bude" suche - oder im vertrauten Westen.

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