Nahaufnahme:Ein bisschen frech

Nahaufnahme: „Die Tatsache, dass wir hier gemeldet haben, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie wir den Fall einschätzen.“ Dieter Zetsche.

„Die Tatsache, dass wir hier gemeldet haben, hat überhaupt nichts damit zu tun, wie wir den Fall einschätzen.“ Dieter Zetsche.

(Foto: afp)

Bei Daimler ermitteln Staatsanwälte und Kartellbehörden. Konzernchef Dieter Zetsche aber präsentiert sich entspannt - und macht Späße.

Von Max Hägler

Es ist eine unterhaltsame Anekdote, die Dieter Zetsche zur Einführung dieses sogenannten "Auto-Gipfels" am Dienstagabend im Daimler-Museum in Stuttgart erzählt. Er sei seit einiger Zeit Mitglied eines sozialen Mediums und letzthin sei ihm dort etwas Kurioses präsentiert worden; der Daimler-Chef schmunzelt unter seinem Schnauzbart und lässt einen Screenshot an die Wand projizieren: "Dieter, entdecken Sie Jobs bei BMW Group, die zu ihren Fähigkeiten passen", ist da zu lesen. Der Computer dieses Vernetzungsportals hat augenscheinlich den studierten Elektroingenieur Dieter Zetsche als potenziellen BMW-Mitarbeiter ausgemacht. Ein Späßle - wobei es fast ein wenig Chuzpe zeigt, das gerade jetzt auszupacken.

Denn es ist eine schwierige Zeit für BMW und Daimler. Das Verhältnis der beiden ist angespannt. Im Sommer wurde bekannt, dass Daimler vor zwei Jahren bei den Kartellbehörden eine Art Selbstanzeige gestellt hatte, wegen womöglich illegaler Absprachen mit den Konkurrenten. Heimlich meldeten sie das - und schwiegen danach. Das hat die Kollegen bei BMW tief getroffen.

Die Zusammenarbeit der beiden Hersteller war bis dahin weit tiefer, als vielen bewusst ist. Lange Zeit kauften sie gemeinsam Teile ein, sorgsam ausgearbeitet in "Baukastenverträgen": Gurtstraffer, Sitzgestelle, Schalter und allerlei anderes, weil beide zwar weltbekannt sind, aber nur mittelgroß im Branchenmaßstab. Da ist Kostensparen über Mengenrabatte wichtig. Und außerdem trafen sie sich im sogenannten "Fünferkreis" mit allen deutschen Herstellern, um über Branchenstandards, Treibstoffbehälter, das Tankstellennetz oder Abgasregularien zu debattieren.

Seit die Nachricht von der Selbstanzeige durchsickerte, sind viele neue Projekte auf Eis gelegt - vonseiten der verstörten Münchner. In der vergangenen Woche bekamen die auch noch Besuch von Kartellwächtern. Man hätte insofern gerne eine Replik gehört auf das Vorgehen der Stuttgarter. Aber der andere Gast des Abends - BMW-Chef Harald Krüger - meldete sich kurzfristig krank.

Auch die Frage, wie es sich anfühlt, einem Partner in den Rücken zu fallen, wurde nicht gestellt an diesem Abend, zu dem das Handelsblatt geladen hatte. Doch nicht nur wegen der Job-Anekdote bekam man den Eindruck: Zetsche sieht das alles nicht so tragisch. Obwohl just an diesem Konferenztag auch bei Daimler Wettbewerbshüter wegen der möglichen Kartellabsprachen vorstellig wurden. Und obwohl, nicht zu vergessen, die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Dieselbetrug gegen Daimler ermittelt

Vielleicht ist Zetsche so entspannt, weil sich der Konzern aufgrund der frühen Anzeige voraussichtlich einen strafmildernden Kronzeugenstatus sicherte. Vielleicht hat es damit zu tun, dass er den möglichen Regelverstoß als nicht so gravierend einschätzt: "Am Ende des Tages ist das nicht von mir zu befinden, ich bin ein Ingenieur und kein Kartellamtsspezialist", sagte der 64-Jährige. "Ich weiß aber, dass es in erster Linie um Standards und ähnliche Fragen ging, die am Ende dem Kunden nutzen." Daimler habe so gehandelt, weil dies nach den Erfahrungen aus dem Lastwagen-Kartell geboten war. Dabei mussten die Stuttgarter eine Milliarde Euro als Strafe nach Brüssel überweisen. Solche Risiken in Zukunft auszuschließen, gehöre zum "absoluten Grund-Abc" verantwortungsbewusster Manager.

Dem wiederum wird man bei BMW schwerlich widersprechen können. Zetsche klickte übrigens auf deren Jobofferte: "Ich muss gestehen, es hat mich interessiert", erzählt er an diesem Abend. Und spielt das Angebot ein: Motorradverkäufer in Kassel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: