Nahaufnahme:Ein bisschen Che

Kapitalismus-Recherche Enric Duran

"Du kannst zwar die sozialen Rechte und die Demokratie verbessern, aber das bringt nichts, wenn du Wirtschaft und Banken nicht ändern kannst." Enric Duran.

Enric Duran, spanischer Aktivist mit Zügen von Che Guevara, übt finanziellen Ungehorsam - mit modernen Mitteln.

Von Lea Hampel

Sein Gedankengut hat er von Mahatma Gandhi und Henry David Thoreau, doch seine vielen Spitznamen erinnern an einen Briten: "Robin Bank" ist einer davon, "spanischer Robin Hood" ein anderer. Vermutlich kommen bald weitere hinzu, denn der Mann, der eigentlich Enric Duran Giralt heißt, 1976 in einem kleinen Ort fünfzig Kilometer vor Barcelona geboren wurde und sich lange als Tischtennistrainer verdingt hat, heckt wieder etwas aus.

Man muss mit allem rechnen, denn Duran, 39, ist seit 15 Jahren Revolutionär: "Bei der Revolution geht es im Wesentlichen nicht darum, das Wirtschaftswesen zu ändern, sondern alles, den Menschen, zu ändern", erklärte er mal in einem Interview. Solche Sätze wecken Erinnerungen an Che Guevara. Die Art, mit der Duran für nicht weniger als den Wandel der Menschheit eintritt, ist jedoch weitaus moderner als der Kampf des lateinamerikanischen Revolutionärs, und zwar in der Wahl der Gegner wie der Mittel. Er attackiert das globale Finanzsystem, mit Vorträgen, Demonstrationen und Texten.

Berühmt gemacht hat ihn eine im Jahr 2008 öffentlich gewordene Aktion: Drei Jahre lang hatte er sich so ins spanische Bankenwesen eingearbeitet, dass er dessen Lücken kannte und 68 Kredite bei 39 Banken aufnehmen konnte, in dem Wissen, sie weder zurückzahlen zu können noch zu wollen. Die 492 000 Euro investierte er unter anderem in eine antikapitalistische Zeitung. "Finanzieller ziviler Ungehorsam" ist die Bezeichnung, die er dafür geprägt hat, "Straftat" war die der spanischen Justiz. Als er seine Taten, passenderweise wenige Tage nach dem Lehman-Crash, öffentlich machte, war Duran schon in São Paulo. Von dort aus kommunizierte er weiter mit seinen Anhängern. Mit ihnen entwickelte er eine neue, diesmal legale Idee: die Cooperativa Integral Catalana, ein Netzwerk verschiedener Kooperativen in Katalonien, das medizinische und soziale Versorgung, den Austausch von Lebensmitteln und Dienstleistungen unter seinen Mitgliedern fördert und eine eigene Währung hat. Weil die Kooperative gemeinnützig ist und Mitglieder ihre Einkünfte über den Verein bekommen, zahlen sie kaum Steuern. Vermutlich auch deshalb ist der Erfolg groß: Mehrere tausend Mitglieder - vor allem junge Alternative im von Zwangsräumungen geprägten Barcelona - hat die Kooperative mittlerweile; sie passt zum Zeitgeist im Land, nicht umsonst war die linke "Podemos"-Partei bei den Wahlen im März erfolgreich.

Diese reale Revolution kann Enric Duran nur aus der Ferne verfolgen. 2011 saß er für seinen Kreditbetrug zwei Monate in Haft. Dann durfte er das Gefängnis verlassen, weil ein anonymer Spender die Kaution zahlte. Zum Prozessbeginn erschien Duran dann nicht, wohl auch, weil ihm eine Haftstrafe von acht Jahren drohte. Duran ist auf der Flucht. Derzeit läuft die Kampagne "Return with freedom" (Rückkehr mit Freiheit) zur Aufhebung seiner Strafe. Bis es so weit ist, arbeitet er im Exil weiter. Bereits vor einem Jahr hat er "Occupy Banking" gestartet. Zentrales Element ist "FairCoop", eine Plattform, die nicht weniger als die Basis für ein weltweit funktionierendes, alternatives Währungs- und Wirtschaftssystem sein soll, transparent und frei von politischer Kontrolle.

Für Duran ein wesentlicher Schritt, denn eines hat er gelernt: "Du kannst zwar die sozialen Rechte und die Demokratie verbessern, aber das bringt nichts, wenn du Wirtschaft und Banken nicht ändern kannst", sagt er. Dass er das nur über Skype äußern kann, weil ihm in Spanien Haft droht, klingt einerseits nach dem Gegenteil von Freiheit und Zukunft. Andererseits passt es sehr schön ins Bild von einem echten Revolutionär.

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