Nahaufnahme:Diese Deutschen

Nahaufnahme: Ich halte es für wichtig, dass Arbeitsgruppen gemischt sind", Daniah Aloufi.

Ich halte es für wichtig, dass Arbeitsgruppen gemischt sind", Daniah Aloufi.

(Foto: P. Castagnola)

Daniah Aloufi arbeitet seit November 2015 für die Deutsche Bahn - in Saudi-Arabien. Dort sind 90 Kollegen beschäftigt, die 31-Jährige ist eine von drei Frauen.

Von Gianna Niewel

Sie sitzt in einem Café in Berlin, Latte Macchiato, ein Stück Schokoladentarte, als sie eine Nachricht bekommt. Das Handy piepst. Daniah Aloufi schreibt zurück, ihr Handy piepst wieder. Gesendet. Eine Frau am Nachbartisch sei aufgestanden, erzählt Aloufi, und habe gefragt, ob das sein müsse, dieses Gepiepe? Aloufi sagt, sie habe gelächelt, sei freundlich geblieben. Aber verstanden habe sie das Problem der Dame nicht, der Ton war doch leise. Sie habe sich gedacht: "Those Germans", diese Deutschen, wie oft fühlen die sich von irgendetwas gestört.

Lächeln und freundlich bleiben, auch wenn die Wünsche der Kollegen manchmal merkwürdig sind, ist Teil ihres Jobs. Für die Deutsche Bahn arbeitet Aloufi als Personalmanagerin in Saudi-Arabien, ihre Kollegen stammen aus zwölf Kulturen. Aloufi ist gebürtig aus Dschidda, mehr als drei Millionen Einwohner, eine Stadt am Roten Meer. Der Vater flog für die Navy um die Welt, die Mutter arbeitete nie, sie hat fünf Geschwister. Die 31-Jährige hat dort erst Islamwissenschaften studiert, dann ist sie nach London gezogen, Diplom in International Business, Master in Human Resources Management, man könnte auch sagen: Personalwesen. Ein früherer Chef erzählte ihr dort von der Deutschen Bahn, Daniah Aloufi sagt "dieh-bieh", sie spricht die Buchstaben englisch aus. Sie wusste nichts über diese DB. Nicht, dass es das größte Eisenbahnverkehrsunternehmen in Mitteleuropa ist, nicht, dass der Umsatz Milliarden hoch ist, dass das Thema Pünktlichkeit in Deutschland Diskussionsthema ist. Sie bewarb sich trotzdem und bekam den Job. Im November vergangenen Jahres hat sie angefangen, für den Konzern zu arbeiten - in Dschidda.

Dort arbeiten 90 Kollegen, sie ist eine von drei Frauen. Die Männer kommen aus Polen, Deutschland, Indien oder Pakistan. Sie sind Ingenieure und Techniker. Sie verlegen gerade, nur zum Beispiel, etwa 450 Kilometer Gleise in der Wüste, eine neue Strecke für Hochgeschwindigkeitszüge mit 320 Kilometern pro Stunde. Sie soll Dschidda mit den Pilgerstätten Mekka und Medina verbinden. Aber bevor die Männer mit der Arbeit anfangen, kommen deren Bewerbungen zu ihr. Daniah Aloufi liest die Lebensläufe, hält nach Talenten Ausschau, sie kümmert sich darum, dass die neuen Mitarbeiter sozialversichert sind. Und ziemlich oft muss sie ihnen erst einmal die Kultur erklären. Zum Beispiel, dass es in Dschidda, wo die Temperaturen auch im Winter selten unter die 20-Grad-Marke fallen, nicht üblich ist, einen Garten und Gemüsebeete zu haben. Auch, wenn "those Germans" das von zu Hause so gewohnt sind.

An diesem Morgen ist Aloufi auf der Innotrans in Berlin zu Besuch, der weltgrößten Fachmesse für Bahn- und Fernverkehrstechnik. Züge mit Wasserstoffantrieb, Datenbrillen, Männer in Anzügen. Dazwischen: Die 31-Jährige im Kleid, die Ohrringe funkeln. Natürlich sei es nicht leicht als junge Frau in diesem Job. "Aber ich halte es für wichtig, dass Arbeitsgruppen gemischt sind, und stehe hier gern bereit." Frauen brächten Ruhe in Diskussionen, sie konzentrierten sich erst auf das Ziel und dann auf ihr Ego, nicht umgekehrt. Aber das Frausein ist ja nur das eine, mit dem sie ab und an ringt. Das andere ist ihr Glaube. Sie ist Muslimin, betet fünf Mal am Tag. Zu Hause in Saudi-Arabien muss sie Kopftuch tragen, macht es aber vor allem aus Respekt vor der Kultur. Wenn sie nach Europa fliegt, nimmt sie es ab - auch aus Respekt. Aber klar, manchmal redeten ihre europäischen Kollegen in Saudi-Arabien abfällig darüber. Wie viel emanzipierter ihre Heimatländer doch seien. Aloufi sagt ihnen dann, dass sie das Kopftuch freiwillig trägt, dass sie sich nicht eingeschränkt fühlt. Und dann sagten die Männer erst einmal nichts.

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